Neuer Impfstoff gegen Vogelgrippe entwickelt

Die Immunisierung gegen die vor allem in Asien grassierende Seuche soll nun einfacher und billiger werden

BERLIN taz ■ Chinesische Wissenschaftler haben erstmals einen Lebendimpfstoff gegen die Vogelgrippe entwickelt. Dieser könne bedeutend billiger als die bisher genutzten Totimpfstoffe produziert werden, berichtete die Tageszeitung China Daily. Zudem könne die Impfung auch durch Versprühen im Stall erfolgen. Die Tiere nehmen das Mittel durch Mund oder Nase auf.

Ein Lebendimpfstoff besteht aus sehr geringen Mengen lebender Keime. Sie sind so abgeschwächt, dass sie sich zwar noch vermehren, die Krankheit aber nicht mehr auslösen können – außer bei sehr geschwächten Tieren oder Menschen. Die Immunisierung ist wirksamer als bei Totimpfstoffen, die aus abgetöteten Keimen bestehen.

China gehört zu den am stärksten von der Vogelgrippe betroffenen Ländern. Bisher sind dort über 6,8 Milliarden der insgesamt 14 Milliarden Tiere gegen das H5N1-Virus geimpft worden.

Der Lebendimpfstoff wurde in vierjähriger Forschungsarbeit am Harbin-Institut entwickelt. Bei Tests mit Mäusen erzeugte er eine Immunität gegen das Vogelgrippevirus. Die chinesische Regierung hat grünes Licht für die Massenproduktion gegeben. Bis Ende Dezember sollen 1 Milliarde Impfeinheiten hergestellt werden. Die chinesischen Behörden hoffen, damit die Virusinfektion eindämmen zu können.

Zwar soll der neue Impfstoff vorerst nur Tieren verabreicht werden. Er könne aber auch die Entwicklung eines Impfschutzes für Menschen voranbringen, hofft Chefveterinär Jia Youling.

Bisher ist H5N1 vor allem für Vögel gefährlich. Seit 2003 haben sich 141 Menschen mit dem Virus infiziert, von denen 73 starben. Doch angesichts der weiten Verbreitung des Virus, das mittlerweile in 16 Staaten registriert ist, gilt diese Zahl als relativ niedrig. Sollte die Ansteckung allerdings auch über Tröpfcheninfektion erfolgen können, würde die Zahl der Erkrankten rapide ansteigen.

Die Entwicklung einer H5N1- Impfung für Menschen wird daher mit höchster Priorität vorangetrieben. Gesundheitsexperten befürchten, dass sich das Vogelgrippevirus durch Vermischung mit dem „normalen“ Grippevirus zu einem auch für Menschen hochinfektiösen Erreger entwickelt. Eine weltweite Infektionswelle wäre kaum zu verhindern.

Da man nicht weiß, wie dieses neue Virus aufgebaut sein wird, kann noch kein Impfstoff dagegen entwickelt werden. In mehreren europäischen Staaten und den USA wird daher nach einem Standard-Impfstoff geforscht, der bei einer beginnenden Epidemie an den konkreten Erreger angepasst werden kann. Damit soll vor allem das sehr aufwändige Zulassungsverfahren drastisch verkürzt werden.

Ein weiteres Problem ist die zeitraubende Produktion. Bis der jedes Jahr neu entwickelte Grippeimpfstoff in ausreichender Menge vorliegt, vergehen in der Regel mehrere Wochen. Die als Grundlage dienenden inaktivierten Grippeviren müssen in Hühnereiern angezüchtet werden. Geschätzt wird, dass zur Herstellung eines menschlichen Impfschutzes gegen das Vogelgrippevirus mehrere Milliarden Hühnereier benötigt würden.WOLFGANG LÖHR