USA übernehmen Haiti

ERDBEBEN Tausende US-Marines landen in Haiti, die Zahl der Soldaten soll auf 12.500 Mann steigen. EU will Gendarmen schicken. Das Ziel: ein „sicheres Umfeld“ für humanitäre Hilfe

PORT-AU-PRINCE rtr/afp/taz | Die USA und die Vereinten Nationen schicken immer mehr Soldaten nach Haiti. Gestern wurde die Landung von 2.200 US-Marines erwartet, die die 5.800 bereits nach Haiti beziehungsweise auf US-Kriegsschiffe vor der haitianischen Küste entsandten US-Soldaten verstärken sollen. Insgesamt soll das US-Kontingent auf dem erdbebenzerstörten Inselstaat in den nächsten Tagen nach Angaben des US-Südkommandos auf 10.000 bis 12.500 steigen. Haitis Regierung sagte, sie habe den Ausnahmezustand erklärt und die USA gebeten, die Gewährleistung der Sicherheit in ihrem Land zu übernehmen.

„Wir sind vor für eine humanitäre Hilfsoperation hier, aber Sicherheit ist eine kritische Komponente“, sagte Generalleutnant Ken Keen, Kommandeur der US-Interventionstruppe. „Wir werden das gemeinsam mit den Vereinten Nationen angehen müssen, und wir werden das schnell tun müssen.“ Man sei besorgt wegen „zunehmender Vorfälle von Gewalt“ in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince. Es sei wichtig, ein „sicheres Umfeld“ für humanitäre Hilfe zu schaffen.

„Wir haben 2.000 Polizeibeamte in Port-au-Prince, die schwer gelitten haben“, sagte Haitis Präsident René Préval. „Und 3.000 Verbrecher sind aus dem Gefängnis entkommen. Dies zeigt, wie schlimm die Lage ist.“ Die Regierung hat den USA bereits die militärische Kontrolle über den Flughafen überlassen, über den die Hilfslieferungen aus aller Welt ins Land gelangen.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez warf den USA vor, Haiti „heimlich“ zu besetzen. Auch UNO und EU planen neue Truppenentsendungen nach Haiti. Der UN-Sicherheitsrat sollte noch gestern zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen, auf der die aus 7.000 Blauhelmsoldaten und 1.200 Polizisten bestehende UN-Mission in Haiti (Minustah) um 1.250 Mann vergrößert werden sollte. Die benachbarte Dominikanische Republik habe die Entsendung von 700 Soldaten angeboten, hieß es.

Spaniens Außenminister Ángel Moratinos, dessen Land bis Ende Juni die Präsidentschaft in den EU-Ministerräten führt, sagte, die UNO habe außerdem die EU informell um die Entsendung von paramilitärisch ausgebildeter Polizei gebeten. Die EU bereite daher die Entsendung von 140 bis 150 Beamten der Europäischen Gendarmerietruppe (EGF) vor. Diese Truppe besteht aus mindestens 800 rasch einsetzbaren Polizisten aus Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal, Rumänien und Spanien. Moratinos machte keine Angaben, welche Länder sich am Haiti-Einsatz beteiligen wollen. „Es gibt einen dringenden Bedarf an mehr Sicherheit, um die Verteilung der internationalen Hilfsgüter zu ermöglichen“, sagte Moratinos. Deutschland wird keine Polizisten schicken. „Da sind andere besser präpariert“, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer.

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