Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien: „Freiwillig gehe ich da nicht hin“

Trotzig regiert der Nationalist Vojislav Seselj auf die Entscheidung des UN-Tribunals, ihn wieder zu inhaftieren. Belgrad ist das das äußerst peinlich.

Vojislav Seselj bei seiner Ankunft in Belgrad im vergangenen November. Bild: ap

BELGRAD taz | Es sind gerade einmal fünf Monate vergangen und schon will das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien den Radikalenführer Vojislav Seselj wieder hinter Gittern sehen. Dies beschloss am Montag der Berufungssenat des Tribunals, das ihn nach zwölf Jahren Haft ohne Urteil wegen seinem „schwierigen Gesundheitszustands“ vorübergehend frei gelassen hatte.

Die Anklage lautete auf Kriegshetzerei, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. „Ich gehe da nicht wieder freiwillig hin“, sagte entgegnete Seselj trotzig, der seine Freilassung als seinen "Sieg" gegenüber dem „politischen, antiserbischen“ Tribunal gefeiert hatte. Dem krebserkrankten Radikalen waren nämlich nicht, wie üblich, Bedingungen für seine vorübergehende Freilassung gestellt worden.

Im vergangenen November zurück in Serbien fing er sofort mit einer scharfen politischen Kampagne in seiner alten Manier an: Kroaten seien Faschisten, Serbien würde früher oder später seine Territorien in Kroatien und Bosnien zurückerobern, die serbische Armee werde wieder in das Kosovo einmarschieren, in der serbischen Regierung säßen lauter Verräter.

Wegen seinen Hassreden und „Einschüchterung der Zeugen“ und dem Protest der serbischen Nachbarstaaten will das Tribunal nun Seseljs vorübergehende Haftverschonung „überprüfen“.

Doch diesmal will sich Seselj nicht wie 2003 freiwillig stellen, er sei nämlich „fertig mit dem Tribunal“ und „gespannt“ wie ihn denn Ministerpräsident Aleksandar Vucic und Staatspräsident Tomislav Nikolic verhaften würden.

Peinliche Situation für Serbiens Regierung

Für beide war Seselj politischer Ziehvater in der ultranationalistischen SRS. Vor sieben Jahren ließen ihn Nikolic und Vucic jedoch in Stich, gründeten die proeuropäische Serbische Fortschrittspartei (SNS) und gewannen bei den Parlamentswahlen 2014 die absolute Mehrheit. Die beiden wissen, dass ihnen der zu Exzessen neigende Koloss die Sachen nicht einfach machen wird.

Die ganze Situation ist der serbischen Staatsspitze sichtbar peinlich. Für den „Schlamassel“ mit Seselj macht Belgrad das „unverantwortliche“ Tribunal verantwortlich, dass ihn zuerst bedingungslos freigelassen hatte, und jetzt seine Überstellung fordert. Bei beiden Entscheidungen sei die Regierung Serbiens nicht einmal konsultiert worden, heißt es.

Ministerpräident Vucic sieht in dem Vorfall eine gegen ihn gerichtete Verschwörung. „Jemand“ wolle die serbische Regierung „wegen ihrer Politik bestrafen“, sagte Vucic, ohne genauer zu erläutern wer und weswegen die serbische Regierung überhaupt bestrafen will. Die Entscheidung des Tribunals brachte er in Zusammenhang mit seiner Rede zum sechszehnten Jahrestag der Luftangriffe der Nato auf Serbien, in der er das Bombardement als eine „Aggression“ bezeichnete. Auch Außenminister Ivica Dacic nannte den Beschluss des Tribunals „skandalös“ und „unmoralisch“. Dies würde, sagte er, Serbien und die Region destabilisieren.

So sehr sich die serbischen Regirungsparteien auch als proeuropäisch ausgeben, Serben an das verhasste Tribunal auzuliefern ist ihnen doch äußertst unangenehm. Immerhin hätten sich die ehemaligen Nationalistenselbst dort auf der Anklagebank befinden können.

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