Steglitz zeigt Farbe: Nicht weggucken!

Mit der Fichtenberg-Oberschule sind es in Berlin nun 64 Schulen, denen der Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ verliehen wurde.

Ein Logo macht Schule Bild: SOR

„Dreimal wurde ich während meiner Zeit in Mecklenburg-Vorpommern angegriffen. Ich wurde mit Parolen wie „Ausländer raus!“ und „Was willst du hier, Neger!“ beschimpft und teilweise geschlagen. Als ich die Polizei rief, verlangte sie den Ausweis von mir und nicht den von meinem Angreifer.“ Bruno Wataras Worte erfüllen den Raum. Etwa 30 AchtklässlerInnen sitzen vor ihm und lauschen seiner Erzählung. Seine Worte bewegen die SchülerInnen. Für viele ist es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie mit einem Flüchtling sprechen und von seinen Erfahrungen hören.

Bruno Watara ist nicht allein. Gemeinsam mit anderen in Berlin lebenden Geflüchteten spricht er an diesem Tag mit Siebt- und AchtklässlerInnen der Steglitzer Fichtenberg-Oberschule über seine persönlichen Erfahrungen, über die Hintergründe seiner Flucht und über sein Leben als Flüchtling in Deutschland und Berlin.

Die Gespräche sind Teil eines von der schulischen Antirassismus-AG organisierten Projekttages anlässlich der Verleihung des Titels „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SOR-SMC). Neben den Zeugengesprächen finden auch eine Podiumsdiskussion mit den neunten und zehnten Klassen sowie Workshops mit der Oberstufe statt. Die Themen reichen von „Rechtspopulismus“ über „Islam und Muslimfeindlichkeit“ bis hin zu „Rassismus und Vorurteile im Afrikabild der Gegenwart“. Sogar einen antirassistischen Poetry-Slam gibt es.

Mit dem Titel ist die Fichtenberg-Oberschule Teil eines europaweiten Demokratie-Netzwerks, das zum Ziel hat, gegen jegliche Form von Diskriminierung, Rassismus und Gewalt vorzugehen und ein toleranteres Schulklima zu schaffen. Mit dem Titel verpflichtet sich die Schule dazu, langfristig Aktivitäten gegen Gewalt, Diskriminierung - insbesondere Rassismus – zu entwickeln und künftig bei Konflikten einzugreifen. Damit setzt der Ansatz aktiv auf die Eigeninitiative und das Engagement von SchülerInnen und LehrerInnen.

Möchte eine Schule zur SOR-SMC werden, müssen Unterschriften gesammelt werden. Mindestens 70 Prozent aller Personen der Schule müssen dem Selbstverständnis von SOR-SMC zustimmen.

Anschließend werden die Unterschriften an die Bundeskoordination gesendet und ein/e Pate/in gesucht.

Der/die Pate/in setzt sich öffentlich für die Ziele der SOR-SMC ein und kommt häufig aus den Bereichen Kultur, Politik, Medien und Sport.

Weitere Informationen unter www.schule-ohne-rassismus.org

Die Idee entstand 1988 in Belgien, 1992 wurde der Ansatz auch in den Niederlanden übernommen. 1995 wird das Immanuel-Kant-Gymnasium in Dortmund Deutschlands erste „Schule ohne Rassismus“. Mit mittlerweile über 1.700 Schulen, die von über einer Million SchülerInnen besucht werden, ist „Schule ohne Rassismus“ das größte Schulnetzwerk Deutschlands. Bis 2020 rechnet das Netzwerk mit insgesamt 2.500 Courage-Schulen deutschlandweit, die von rund zwei Millionen SchülerInnen besucht werden.

In Berlin kam die erste Schule laut Thomas Guthmann, Referent für SOR-SMC in der Landeskoordination Berlin, 2001 ins Netzwerk. „Mit dem Fichtenberg-Gymnasium sind es aktuell 64, rund zehn weitere Schulen sind auf dem Weg zum Titel“, so Guthmann. Pro Jahr bekamen zwischen einer und zehn Schulen den Titel; 2014 waren es acht, 2013 vier.

Der Titel kann uneingeschränkt jeder Schule verliehen werden, an der ein Schulabschluss erlangt werden kann – „öffentlich wie privat, allgemeinbildend wie beruflich, Grundsschulen wie Sekundarschulen“, erzählt Guthmann weiter. Im bundesweiten Vergleich hat Berlin verhältnismäßig viele antirassistische Schulen: Mit insgesamt 1.102 allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sind 5,8 Prozent alle Berliner Schulen in dem Netzwerk aktiv. Zum Vergleich: Bayerns Schulen sind mit einer Quote von 4,7 Prozent etwas weniger aktiv, Nordrhein-Westfalen trumpft mit einem Anteil antirassistischer Schulen von 7,3 Prozent.

Bei dem festlichen Akt der Titelübergabe an der Fichtenberg-Oberschule zeigen sich die Antirassismus-AG, Bruno Watara – Pate des Projekts – und LehrerInnen stolz. Es sei ein „Ansporn für künftiges Engagement“, sagt Schulleiter Rainer Leppin in der Schulsporthalle vor den über 700 SchülerInnen, die am Projekttag beteiligt waren. Wie es konkret weitergehen soll im Kampf gegen Rassismus, wissen die 15 Jugendlichen der AntiRa-AG noch nicht. Erst einmal überwiegt die Erleichterung, dass heute alles gut geklappt hat.

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