„Was ist uns die universitäre Lehre wert?“

STEUERN UND STUDIEREN Um die Unterfinanzierung der Universitäten zu beenden, fordert Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, eine Verfassungsänderung

■ 62, Physiker, leitet die Helmholtz-Gemeinschaft. Er finanziert die Berliner Bundes-Uni mit.

taz: Herr Mlynek, die Hochschulen klagen darüber, dass ihnen die Mittel fehlen. Ist das das übliche Gejammer – oder fehlt es den Hochschulen wirklich an Geld?

Jürgen Mlynek: Wenn wir über die Wissenschaft sprechen, dann gibt es sicher ein Problem – und das ist die strukturelle Unterfinanzierung der Universitäten. Die muss beseitigt werden.

Aber der Bund pumpt doch über die Exzellenzinitiative Milliarden in die Hochschule.

Ja, aber das ist für die Forschung und zudem nur kurzfristig. Die grundsätzliche Unterfinanzierung zeigt sich besonders stark in der Lehre, es geht um die gute Ausbildung unserer Studierenden. Dort haben wir seit Langem einen Mangel, der durch den Wegfall der Studiengebühren noch verschärft wird.

Finden Sie Studiengebühren ein wichtiges Instrument?

Ja, das finde ich. Aber ich nehme zur Kenntnis, dass Studiengebühren für Deutschland offenbar verbrannt sind. Das ist ein zu heißes Eisen für diese Gesellschaft.

Wo hapert es an der Hochschulfinanzierung? Das Hauptproblem ist der Mangel an institutioneller Förderung. Die Hochschulen können sich zwar über die Deutsche Forschungsgemeinschaft Drittmittel holen, aber das ist nur für die Forschung und auch dort im Wesentlichen nur Projektförderung. Das hilft den Unis nicht, ihre Aufgaben in der Lehre zu erfüllen, und auch in der Forschung leben sie größtenteils von der Hand in den Mund. Wir haben derzeit so viele Studierende wie noch nie. Das ist die künftige Führungselite unseres Landes, und die Universitäten sind jene Einrichtungen, die für Forschung und Lehre, aber auch für die wissenschaftliche Sozialisation der Studierenden da sind. Wir befinden uns an dem Punkt, wo wir uns als Gesellschaft eingestehen müssen: Welchen Stellenwert wollen wir der universitären Lehre und Forschung wirklich einräumen?

Für die Hochschulen sind die Bundesländer zuständig. Die bestehen darauf, dass die Hochschulen ihr Hausgut sind – lassen die Unis aber auf der anderen Seite verwahrlosen.

Dem kann ich nichts hinzuzufügen. So ist das.

Wir reden über das Recht von Studierenden auf eine gute Ausbildung, auf adäquate Studienbedingungen und über die technische Zukunft des Landes. Sobald aber ein Bundeszuschuss da ist, ziehen die Länder das Geld an anderer Stelle ab.

Das ist nicht gut und das liegt offenbar an der grundsätzlichen Prioritätensetzung bei den Bundesländern. Über den Bund kann man nur sagen, dass sowohl unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel als auch bei Gerhard Schröder Bildung und Wissenschaft hohe Priorität hatten und haben.

Die Länder klagen, sie hätten selber nicht genug Mittel.

Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man ändert die Finanzströme, mit denen die Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern verteilt werden. Ein sehr komplizierter Vorgang. Oder man gibt dem Bund die Möglichkeit, Universitäten auch institutionell zu unterstützen.

Was ist der bessere Weg?

Ich bin ohne Wenn und Aber dafür, die Hochschulen direkt durch den Bund zu unterstützen. Die Unterfinanzierung muss beendet werden! Das hätte auch den Effekt, dass wir als Helmholtz-Gemeinschaft nicht immer wieder dem Generalvorwurf ausgesetzt sind, die Universitäten mit unserem Geld zur Zusammenarbeit drängen zu wollen. Die Kooperationen auf Augenhöhe, die wir uns mit den Unis wünschen, wären leichter und ohne Vorurteile möglich.

Wieso geht das nicht mit dem Hochschulpakt?

Der hilft den Universitäten immer nur zeitlich befristet. Er führt nur vereinzelt dazu, dass sich die Betreuungsrelation verändert, also die Zahl der Studierenden, um die sich jeweils ein Professor kümmert. Der Hochschulpakt ist kein belastbares perspektivisches Instrument, wir stehen vor einer wegweisenden Entscheidung.

Und zwar?

Wir sollten die Verfassung umschreiben, sodass der Bund wieder eingreifen kann. Es gibt eigentlich parteiübergreifend den Konsens, den Artikel 91b des Grundgesetzes so zu ändern, dass eine Mitfinanzierung des Bundes wieder möglich ist. Der Bund und auch wir als bundesfinanzierte Helmholtz-Gemeinschaft wären dann viel freier, Kooperationen mit Hochschulen einzugehen.

Sagen Sie, wie es ist: Sie würden gerne mehr Bundes-Unis betreiben?

Im Moment scheinen mir Bundesuniversitäten, wie wir sie aus der Schweiz kennen, kein Thema zu sein. Und ich prophezeie Ihnen: Diese Geisterdebatte wäre sofort vorbei, wenn die Grundgesetzänderung vollzogen wäre. Es geht um neue Formen der Kooperation, die sowohl für die Universitäten als auch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen attraktiv sind.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER