Bayerische Islamistin: Kalaschnikows und Katzen

Eine 30-jährige Deutsche nahm ihre zwei kleinen Kinder mit nach Syrien. Vor Gericht weist sie den Vorwurf zurück, sie in Lebensgefahr gebracht zu haben.

Die Angeklagte im Landgericht München. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Ihre eine Tochter war sieben, ihre andere drei Jahre alt, als Andrea B. sie nach Syrien mitnahm. Sie lebten dort nahe der syrisch-türkischen Grenze. Am Abend erzitterte der Boden von Bomben. Die Dreijährige posierte mit einer Kalaschnikow um den Hals vor der Kamera.

So erzählt es ihre Mutter an diesem Mittwoch vor dem Landgericht München. Andrea B. wird vorgeworfen, ihre Kinder in Lebensgefahr gebracht zu haben. Außerdem soll sie im Umgang mit Waffen geschult und fest entschlossen gewesen sein, diese gegen syrische Regierungstruppen einzusetzen.

In Handschellen betritt B. den Saal, eine kleine Frau, ganz in Schwarz, langer Rock, zugeknöpfte Bluse. Ein türkises Kopftuch umspannt ihr Gesicht. Die 30-jährige Verkäuferin ist in Halle geboren, 2009 ließ sie sich katholisch taufen, 2012 wechselte sie zum Islam. Auf Videos sah sie, wie Muslime auch in Syrien terrorisiert wurden. „Ich fühlte mich verpflichtet, anderen zu helfen“, sagt sie. Im Internet lernte sie ein Ehepaar kennen, das sie nach Syrien einlud. Um dort versorgt zu sein, wurde sie zur Zweitfrau eines Mannes, der der islamistischen Al-Nusra-Front angehörte.

B. spricht leise mit dünner Stimme. Den Vorwurf, sie hätte Soldaten des Assad-Regimes töten wollen, weist sie zurück, genau wie den, das Leben ihrer Töchter gefährdet zu haben. Die hätten in Syrien mit den Nachbarskindern gespielt, die Bomben nicht gehört. „Sie haben niemals Gefahr empfunden“, sagt B. Das Sorgerecht wurde ihr inzwischen entzogen, die Kinder leben mit ihrem Vater. In psychologischer Betreuung sind sie nicht. Der Vater sagt vor Gericht: „Die haben gar nichts mitgekriegt.“ Ihre Großmutter sagt, die Kinder hätten ihr erzählt, „wie schön es dort war mit den vielen Katzen“.

Dann kam das Chaos

Heile Welt in Syrien? B. erzählt, sie habe ihre Töchter nicht in die Schule geschickt, weil sie Angst hatte, dass sie entführt werden. Immer wieder mussten sie umziehen, weil es zu gefährlich wurde. Als B. mitbekam, wie der Islamische Staat eine Familie ermordete, ging sie wieder zurück nach Deutschland. „Wir wollten unser Leben nicht riskieren“, sagt sie. Sie habe nur „humanitäre Hilfe“ leisten wollen. Als dann das „Chaos“ ausbrach, sei es wie eine Seifenblase gewesen, die „zerplatzt“. „Sie können doch nicht davon ausgehen, dass dort alles Friede, Freude, Eierkuchen ist“, herrscht sie die Staatsanwältin an.

Und die Fotos, auf dem die Kinder mit den Waffen spielen? „Ist das normal, dass ein Kind, das noch Windeln hinten drin hat, von der Mutter noch bestärkt wird: Schau mal schön in die Kamera, gleich kommt das Vögelchen?“, fragt der Richter. „In dem Moment hab ich mir nichts dabei gedacht, aber es war verkehrt“, sagt B. Die Kinder hätten keinen Zugang zu der Waffe gehabt, die in der Küche hing. Die Munition sei separat gelagert gewesen. „Dort ist es so, dass jeder eine Waffe hat. Es ist nicht so, dass man jemand töten möchte“, sagt sie.

Auch das glaubt ihr der Richter nicht und zitiert eine Nachricht von ihrem Handy: „Wenn die Ungläubigen kommen schieß ich ihnen mit der Kalaschnikow den Kopf ab.“ „Klingt schon so, als wären sie bereit gewesen“, sagt der Richter. Eine JVA-Mitarbeiterin sagt aus, B. hätte den Wunsch geäußert, „als Märtyrerin zu sterben“.

Für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass B. in Syrien kämpfen wollte und ihre Kinder in Gefahr brachte. Der Anwalt von B. sagt, die Waffen seien nur für den Notfall gewesen. B. habe sich nicht im Kriegsgebiet aufgehalten und damit auch ihre Kinder nicht in Gefahr gebracht. Die Staatsanwaltschaft forderte drei Jahre Haft, ihr Verteidiger zwei. Der Richter verhängte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.

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