Die Wahrheit: Manche mögen’s glüh

Von wegen „Social Freezing“! Der heiße Strudel des gewürzten Süßweins, der zur Zeit millionenfach gepüttkert wird, beschert uns „Social Glowing“.

Es nimmt nicht wunder, dass es so manchem Glühweinisten nach Genuss jenes Fusels hochkommt. Bild: dpa

Zwischen Halloween und Karneval lauert die nächste Heimsuchung: Weihnachtsmärkte finden in Deutschland glühende Verehrer. Und mitten drin gibt es ein Heißgetränk, von dem keiner genau weiß, woraus es gemacht wird und woher es überhaupt kommt: den Glühwein.

Manche behaupten, er würde aus Trauben gewonnen. Das ist bei dem Geschmack allerdings nur schwer vorstellbar. Wo er herkommt? Auch da gibt es viele Theorien: Zufällig sei er im australischen Wombat Valley entstanden, als der Pinot Noir der vielen Buschbrände wegen eines schlimmen Tages im Stahlkessel zu kochen anfing, heißt es: ein echter Einheiztropfen also.

Andere halten ihn für eine Erfindung von Thomas Alva Edison, der ja so ziemlich alles zu verantworten hat. Manche führen ihn auf die ständig erkälteten Kelten zurück, andere behaupten, schon die Römer hätten angefangen, Glühwürmchen zu melken. Dann wieder soll im kalten Winter von 1929 in Krakau eine Dame ihren Handwärmer in eine Rotweinkaraffe geworfen haben und so weiter und so fort …

Tatsache ist: Glühwein im heutigen Sinne gibt es seit dem Winter 1956, als Rudolf Kunzmann in Augsburg-Pfersee mit Zucker und Gewürzen versetzten Wein erstmals in Flaschen füllte und ganz abgebrüht als Glühwein verkaufte. Da damals Zucker als Zutat noch verboten war, verhängte das Marktamt der Stadt Augsburg einen Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen das Weinrecht.

Das Lexikon Wikipedia schreibt dazu weiter: „Das Erzeugnis Glühwein ist definiert als aromatisiertes Getränk, welches ausschließlich aus Rotwein oder Weißwein hergestellt und hauptsächlich mit Zimt und/oder Gewürznelken gewürzt wird.“ Weitere Bestandteile sind oft Kardamom, Muskat, Zitronenschale, Sternanis und natürlich eine Glühbirne.

Mittlerweile trifft man angetrunkene Menschen schon helllichten Tages auf den Weihnachtsmärkten. Was haben die intus? Ganz klar – Vorglühwein! Der enthält angeblich das hochgefährliche Glühtonium! Dann chillen sie eine Weile, damit ihnen recht kalt wird, womit es auch schon wieder Zeit ist für … – genau: Glühwein.

Glühende Landschaften

Jedes Jahr in der Weihnachtszeit kocht das Thema wieder hoch, und die Deutschen erleben endlich das, was Helmut Kohl immer heraufbeschworen hat: glühende Landschaften für erhitzte Gemüter. Die Deutschen püttkern geschätzte 40 Millionen Liter Glühwein im Jahr, statt „Social Freezing“ erleben wir hier „Social Glowing“. Diese Plörre macht jeden Weihnachtsmarkt zur Wärmestube.

Ein Mega-Erlebnis-Wohlfühl-Ereignis-Abenteuer-Event: Erst shoppen, dann vier Glühwein, gebrannte Mandeln und „e Rote“, wie der Stuttgarter sagt, wenn es um die Wurst geht, anschließend wie zu seligen Kinderzeiten noch eine Runde auf dem Karussell. Und sich dann wundern, wenn alles hochkommt …

Solchen Personen sollte man sich nur in einem Schutzanzug nähern, besonders wenn in einem Bahnhof wieder mal der Klassiker unter den Durchsagen zu hören ist: „Ein Mitarbeiter der Bahnreinigung bitte dringend mal zum Servicepoint kommen.“

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kari

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