NICK REIMER ÜBER DEN NEUEN EU-VORSTOSS ZU AGROKRAFTSTOFFEN
: German Way of Bleifuß

Es gibt keine Debatte, die in Deutschland verlogener geführt wird als die um den Agrotreibstoff. Es geht um E10 und „Biodiesel“: Auch der Verkehrssektor soll zum Klimaschutz beitragen, die EU hat vorgegeben, dass die Emissionen bis 2020 um 10 Prozent sinken müssen. Die Frage ist nur, wie. Die deutschen Antworten lauten „Elektromobilität“ und „nachwachsende Rohstoffe“. Doch diese Antworten sind falsch und feige.

Bis 2020 sollen nach dem Willen der Bundesregierung eine Million Autos mit Elektroantrieb auf Deutschlands Straßen rollen. Ganze 2.956 Elektro-Pkws wurden 2012 neu zugelassen, insgesamt sind es jetzt 7.500 auf deutschen Straßen – trotz milliardenteurer Förderung durch die Steuerzahler: Porsche forscht zum Beispiel an einem Soundsystem, damit sein geräuscharmes Elektromodell auch anständig röhrt. Die zweite Antwort geht am eigentlichen Thema vorbei: Agrokraftstoffe können vielleicht in Frankreich, in Spanien oder Tschechien Teil der Lösung sein. In Deutschland aber muss diese zuerst „Tempolimit“ heißen. Denn was der American Way of Life US-Bürgern als Klimaschuld aufbürdet, ist hierzulande der German Way of Bleifuß: Tempo 160 verursacht 20 Prozent mehr Treibhausgasausstoß als Tempo 130.

Rasen auf deutschen Straßen tötet deshalb weltweit Menschen: Je mehr Biosprit verbraucht wird, umso stärker ist die Nachfrage, und die treibt die Preise in die Höhe. Agrosprit-Rohstoffe stehen oft in Konkurrenz zu Lebensmitteln. Sie auf der Straße zu verbrennen sollte erst erlaubt werden, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Dass der German Way weder zukunfts- noch mehrheitsfähig ist, zeigt die Liste jener anderen Länder, in denen es auch kein Tempolimit gibt: Afghanistan, Bhutan, Burundi, Haiti, Libanon, Mauretanien, Birma, Nepal, Nordkorea und Somalia.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8