Internetseite über islamische Welt: Die Brücke bröckelt

Die Internetseite „Qantara.de“ fördert den Dialog mit islamischen Autoren. Nun will das Auswärtige Amt die Finanzierung „anpassen“.

Hohe Qualität: Rund 1,7 Millionen Seitenaufrufe hat „Qantara“ im Monat. Screenshot: Qantara.de

Die Unruhe begann mit einem Text auf faz.net vor vier Tagen: Der Kairo-Korrespondent der Zeitung, Markus Bickel, wollte exklusiv erfahren haben, dass das Auswärtige Amt plane, die Förderung für das Internetportal Qantara.de zum Ende des Jahres einzustellen. Für Qantara wäre das das Aus: Die Webseite über den arabischen Raum wird bisher ausschließlich vom Auswärtigen Amt gefördert. „Berlin reißt Brücke zur arabischen Welt ein“, schrieb Bickel.

In den sozialen Medien schlug sofort große Aufregung los. Auf Twitter und Facebook empörten sich Journalisten und Leser: Gerade in einer Zeit wie dieser, wo Dschihadisten und der „Islamische Staat“, Kriege in Nahost, Flüchtlingswellen in Syrien und im Irak die Berichterstattung bestimmten, sei es das falsche Signal, die Webseite abzuschalten.

„Qantara“ ist das arabische Wort für „Brücke“. Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center hatten Politiker beschlossen, eine glaubwürdige Plattform zum Dialog mit den islamisch geprägten Ländern einzurichten. Seit 2003 finanziert das Auswärtige Amt das Projekt mit jährlich 300.000 Euro.

Die Redaktion ist bei der Deutschen Welle angesiedelt. Der einzige Festangestellte ist Chefredakteur Loay Mudhoon, daneben arbeiten noch vier weitere Redakteure für die Webseite und betreuen die gut 200 freien Autoren aus der ganzen Welt.

Glaubwürdige Hintergrundquelle

Ihre Beiträge erscheinen auf Deutsch, Englisch und Arabisch. „Qantara lebt von der Pluralität der Meinungen“, sagt Chefredakteur Mudhoon: Kritik an der deutschen Israel-Politik und an islamischen Verbänden, radikale Perspektiven für einen islamischen Feminismus – auf Qantara schreiben auch etliche Autoren, die in der arabischen Welt nicht publizieren.

Daher gilt das Portal auch unter Diplomaten, Studierenden, Professoren und Journalisten als glaubwürdige Hintergrundquelle. Und die Zugriffszahlen steigen kontinuierlich: Die Seite wird monatlich rund 1,7 Millionen Mal angeklickt, auf Facebook hat sie 350.000 Fans, mehr als 220.000 allein für das arabischsprachige Angebot.

Das Auswärtige Amt dementierte nun die Gerüchte um die Einstellung: Ein Ende von Qantara stünde nicht zur Debatte, vielmehr „diskutieren wir gegenwärtig eventuell notwendige Anpassungen“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. „Eine Entscheidung darüber, ob ein Projekt im nächsten Haushaltsjahr fortgeführt werden kann, hängt jedoch auch davon ab, ob entsprechende Mittel im Haushalt vorgesehen sind.“

Deutsche-Welle-Chef Peter Limbourg ist optimistisch, dass es mit Qantara weitergeht. Im Interview mit der Zeit sagte er, er sei derzeit mit dem Auswärtigen Amt und anderen Mittelgebern in Verhandlungen.

Neue Finanzierer finden

Mudhoon findet das den richtigen Weg: „Wir müssen darüber nachdenken, die Trägerschaft zu erweitern. Neue Partner könnten zivilgesellschaftliche Organisationen sein, aber auch Stiftungen aus dem politischen und interreligiösen Bereich“, sagt er. Gleichzeitig ist er froh über das Dementi aus dem Ministerium: „Als Anfang September die Nachricht kam, Qantara.de solle eingestellt werden, war das ein Schock für uns alle. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet.“

Im Februar dieses Jahres hatte das Auswärtige Amt Qantara.de noch evaluieren lassen und kam zu dem Schluss, Qantara biete hohe Qualität und sei ein „glaubwürdiges Instrument der auswärtigen Kulturpolitik“. Die Kommission schlug vor, das Projekt noch fünf weitere Jahre zu fördern.

Qantara beantragt jedes Jahr erneut die Förderung durch das Auswärtige Amt. Wieso gerade jetzt Wirbel um die Finanzierung aufkommt, kann Mudhoon angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage und der guten Evaluierung durch das Auswärtige Amt nicht nachvollziehen.

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