Gefälschte Germanen

ENTNAZIFIZIERUNG Focke-Museum untersucht archäologische Bestände auf Propaganda-Lügen

Das Focke-Museum untersucht in den nächsten drei Jahren die Bedeutung der bremischen Vorgeschichtsforschung für die NS-Kulturpolitik. Germanenkult und die Altertumsforschung dienten den Nazis zur Legitimation ihrer Rassenideologie. Mit der Ausgrabungsstätte Mahndorf verfügt Bremen über eine bedeutende einschlägige Fundstätte.

Eine Sonderausstellung soll die Ergebnisse der Studien im Jahr 2012 präsentieren. Die Volkswagenstiftung fördert das Forschungsprojekt unter dem Titel „Vorgeschichtsforschung in Bremen unterm Hakenkreuz“ mit mehr als 234.000 Euro. Die Erforschung des eigenen Bestandes sei Kernaufgabe eines Museums, so Focke-Chefin Frauke von der Haar. Für diese „fehlen aber häufig personelle und finanzielle Mittel“.

Zwischen 1933 und 1939 wurden in Mahndorf zahlreiche germanische Artefakte ausgegraben. Das Forscher-Team des Landesmuseums betrachtet sie mit einer aktuellen wissenschaftlichen Fragestellung: Vor allem die Dokumentation und Interpretation der Ausgrabungsfunde unter der Herrschaft des Nationalsozialismus solle kritisch beleuchtet werden, so Landesarchäologin Uta Halle.

In den Archiven des Museum ruhen dazu zahlreiche handschriftliche, fotografische und zeichnerische Dokumente und Publikationen des damaligen Direktors. Ernst Grohe hatte, wie zu seiner Zeit üblich, archäologische Funde für die NS-Propaganda brauchbar gemacht – auch, um mehr Forschungsgelder zu kassieren. So wurden die Verzierungen einer Urne aus dem 6. oder 7. Jahrhundert n. Chr. als Hakenkreuze gedeutet. Das begünstigte den Missbrauch.

Diese Arbeitsweise geriet jedoch nach 1945 in Vergessenheit. Mehr noch, Museumsdirektorin Frauke von der Haar spricht von einer „Legendenbildung“ um die Altertumsforscher, die kollektiv von nationalistischer Prägung freigesprochen wurden.

Erst ab 1990 begann man in vielen deutschen Bundesländern die Forschungen aus der NS-Zeit aufzuarbeiten. Nun wird auch in Bremen Geschichte neu geschrieben. KARIN FELZMANN