Kolumne Das Tuch: Die deutschen Haustürken

Wir haben die Deutungshoheit über unsere Leute. Ich könnte jeden Schwachsinn erzählen, ich würde immer Menschen finden, die ihn bereitwillig glauben.

Necla Kelek und Thilo Sarrazin bei der Präsentation von „Deutschland schafft sich ab“ am 30. August 2010. Bild: Reuters

Auch als Minderheit hat man Privilegien. Beispielsweise dann, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt. Dort haben wir eine Deutungs- und Meinungshoheit über unsere Leute, unsere Minderheit. Das ist unsere Geldmaschine. Unsere Macht.

Ich könnte jeden Schwachsinn erzählen, ich würde immer irgendwo Menschen finden, die ihn bereitwillig glauben. Denn wenn ich es sage, „die Türkin“, „die Muslimin“, dann wird es schon stimmen. Ich muss nichts beweisen. Das fängt an bei ironischen Märchen wie: „Na klar duschen wir mit dem Kopftuch“ (schon passiert). Und hört tatsächlich nirgendwo auf. Er geht so weit, wie „der Türke“ oder „die Türkin“ ihn gerne treiben mag.

„Die Menschen haben nicht die Fähigkeit, ihre Sexualität zu kontrollieren“, sagte Necla Kelek im ZDF und fuhr fort: „Besonders der Mann nicht, und der ist ständig eigentlich herausgefordert und muss auch der Sexualität nachgehen. Er muss sich entleeren, heißt es, und wenn er keine Frau findet, dann eben ein Tier […].“

Tja, wenn selbst „die Türkin“ Kelek erzählt, dass Männer ihre Sexualität an Tieren entleeren, dann muss es halt stimmen. Und ganz egal, was die UNO kürzlich dazu sagte – Thilo Sarrazin kann kein Rassist sein, weil „die Türkin“ Kelek doch eifrig nickte, bei seiner Buchveröffentlichung mit am Tisch saß. Wenn selbst „die Türkin“ ihm zustimmt, dann hat er sicher recht.

Der Multikulti-Verharmloser

Eine andere „die Türkin“ lief mit Sarrazin durch Kreuzberg und erzählte später vom „Kreuzberger Mob“, den aggressiven Reaktionen dieser unzivilisierten Multikulti-Verharmloser und verschwieg die Beleidigungen, die sich der „Mob“ von ihrem Begleiter anhören musste.

Jüngst schrieb „der Türke“ Akif Pirincci vom schleichenden Genozid an den Deutschen durch die türkischen und muslimischen Männer: „Wie wird die Zukunft aussehen? Diese sich steigernde Deutsche-Totschlägerei wird medial sukzessive an ihrer Brisanz verlieren, so sehr, dass nur noch die allerschlimmsten Fälle in der Gewichtung von schweren Autounfällen Erwähnung finden werden.“

„Der Türke“ darf alles über seine Leute sagen und schreiben. Er darf sie beleidigen und rassistischer sein als der leidenschaftlichste Rassist. „Ihr kopfbetuchten und verschleierten Frauen, ich appelliere an euer Mutterherz und an euren Mutterstolz. Nicht nur, dass ihr in dieser Aufmachung wirklich widerlich ausseht, nein, dadurch bekommt ihr auch total hässliche, doofe und im schlimmsten Fall missgebildete Kinder“, so Pirincci zuletzt.

Haussklaven und Feldsklaven

Vor vielen Jahren unterschied ein kluger Mann in den USA zwischen Haussklaven und Feldsklaven (im Original wurde damals das N-Wort verwendet). Der schwarze Haussklave identifiziere sich mit seinem weißen Herrn, er spreche wie er und denke wie er. Und beizeiten ist er gar erbarmungsloser und brutaler gegenüber seinesgleichen, den Feldsklaven. Und diese Haus- und Feldmentalität gebe es in ihrer modernen Form noch immer in den USA.

Deutschtürken waren in Deutschland beileibe keine Sklaven. Aber auch hier können Minderheiten rassistisch sein. Gegenüber anderen Minderheiten und gegenüber sich selbst. Wenn ich Onkel Akif und Tante Necla lese, dann kann ich nicht mehr anders, als zu denken: Das sind sie, Deutschlands Haustürken.

Klarstellung:

Wir haben in dem Text ursprünglich von „islamisch Erzogenen“ bzw. „muslimischen Männern“ geschrieben. Wir stellen klar: Frau Kelek hat wörtlich gesagt:

„Ich sehe nach diesem Menschenbild, von dem ich vorhin gesprochen habe, – was der Islam übrigens auch vorgibt in der Erziehung – da gibt es ein Menschenbild, was konstruiert ist: Die Menschen haben nicht die Fähigkeit ihre Sexualität zu kontrollieren und besonders der Mann nicht, der ist ständig eigentlich herausgefordert und muss auch der Sexualität nachgehen. Er muss sich entleeren, heißt es, und wenn er keine Frau findet, eben dann ein Tier oder eine andere Möglichkeit, wo er auch dem nachgehen muss. Und das hat sich im Volk so durchgesetzt, das ist ein Konsens, wo auch die älteren Damen, Frauen immer davon sprechen: ‚Ja, wenn du dich jetzt so kleidest, er muss ja, er kann ja nicht anders.‘ ich gehe also dieser Frage sehr genau nach und sehe sogar große Zusammenhänge darin, warum große wissenschaftliche Erfindungen in arabischen Ländern, in muslimischen Ländern nicht stattfindet. Wenn natürlich der Mann permanent der Meinung ist, erstmal seine eigenen Frauen kontrollieren zu müssen, weil er kein Vertrauen und Misstrauen gegenüber anderen Männern hat, die ja nur an Sex denken, und er sich selbst ständig überprüfen muss und schauen muss, wo er halt wieder seinen Trieb nachgehen kann, dann kann ich ja auch nicht ausschließlich meinem Ratio oder mit meinem Ration eigentlich leben. Das sind vielleicht zwar sehr, sehr große Zusammenhänge, die ich da herstellen, aber ich bin diesen Fragen so nachgegangen“.

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Jahrgang 1988. Autorin des Bestsellers "Sprache und Sein" (Hanser Berlin, 2020). Bis 2013 Kolumnistin der Taz. Schreibt über Sprache, Diskurskultur, Feminismus und Antirassismus.

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