Doppelte Portion

Von wegen, gesättigter Markt! Mit seinem neuen Rezepteblatt „Viva!“ tischt Gruner  + Jahr schon die zweite Kooperation mit dem Kochsender Vox auf

Von Christian Bartels

„Viva!“ – das klingt einfach verdammt positiv und optimistisch mit all seiner südländischen Lebensfreude, vor allem, wenn man ein Ausrufezeichen dahinter stellt. Eine Zeitschrift mit so einem tollen Titel hätte wohl jeder gern im Portfolio – so wie der Hamburger Großverlag Gruner + Jahr (G+J), der Viva! seit Ende November als Rezepteblatt im trendigen Pocketformat für 2,50 Euro herausgibt. Die Zielgruppe: Frauen, die sowohl gesund essen als auch „Convenience“ wollen, also wenig Zeit haben, am besten zwischen 30 und 49 Jahren.

Dass Viva! überhaupt so heißen darf, obwohl es einen TV-Sender gleichen Namens gibt, liegt daran, dass die Rechte am Titel schon seit Urzeiten Gruner + Jahr gehören, weil der Verlag mal eine Frauenzeitschrift namens Viva! herausgebracht hat. Die ist längst eingestellt worden, manch einer in Hamburg glaubt: zu früh, weil doch Frauenzeitschriften wieder boomen. Egal, Food-Zeitschriften boomen auch. Da ist es nur konsequent, dass Gruner + Jahr den alten Titel wieder ausgekramt hat.

„Was wir mit dem Titel machen, ist unser Bier“, sagt Angelika Jahr, die Grande Dame der „Livingzeitschriften.“ Viva! solle „nicht nur Rezeptsammlung“, sondern „auch eine journalistische Zeitschrift“ sein. Und Chefredakteur Peter Ploog ergänzt, das Heft sei „ganz klar auf dem Leicht- und Wohlfühl-Trip, auch in der Optik“. Damit ist Viva! mehr als hinreichend charakterisiert. Ein rascher Blick hinein zeigt: Weder Heidesand-Herzen, noch Würstchen-Pilzgulasch werden vernachlässigt, sowohl Molke als auch Babyputer kommen zu ihrem Recht.

Dabei gibt es doch schon so viele Zeitschriften, die sich mit kulinarischen Genüssen befassen. Siebzehn Titel zählt Werner Beba, der die G + J-Verlagsgruppe Living leitet. Er zeigte sich kürzlich bei der gemeinsamen Heftvorstellung mit Jahr dennoch zuversichtlich, dass auch auf „so genannten gesättigten Märkten“ Bewegung möglich ist. Und tatsächlich: Es ist noch Platz da! Dafür hat G + J selbst gesorgt, indem der Verlag Ende Oktober den Titel Schöner Essen einstellte.

Viva! ist nun der Ersatz und wird vom selben Redaktionsteam gemacht, was heutzutage keineswegs selbstverständlich ist. Aber wozu dann der ganze Aufwand? Ganz einfach: Schöner essen war auf dem gesättigten Markt sozusagen kannibalisiert worden durch den Erfolg von Essen + trinken für jeden Tag – das auch von G + J kommt, aber ganz enorm von Tim Mälzer profitierte, König des jüngeren deutschen Fernsehgekoches. Mälzer rührt hauptsächlich auf Vox, einem Sender der RTL Group, die wie Gruner + Jahr weitgehend zu Bertelsmann gehört. Die crossmediale Kooperation war also ein schöner Erfolg und Schöner essen halt der Kollateralschaden.

Dass es Viva! ähnlich ergeht, ist unwahrscheinlich. Denn Gruner + Jahr hat dazu gelernt. Was dem neuen Konzept „den Kick“ gibt, wie Angelika Jahr sagt, ist nämlich wieder eine crossmediale Kooperation. Mit Vox. Dort läuft ab Montag direkt im Anschluss an den werktäglichen Mälzer die neue Kochshow „Feuer und Flamme“ mit Cathérine Kondé, deren Rezepte und Tipps in Viva! erscheinen, und die von der Bertelsmann-Firma UFA Entertainment produziert wird.

Natürlich ist dieser Menüdruck nicht mit dem Meinungsdruck vergleichbar, der Springer wegen seiner Bild-Zeitung vorgeworfen wird. Man sollte sich aber daran erinnern, dass die Könige des Crossmedialen immer noch aus Gütersloh und den angeschlossenen Medienhäusern kommen, und oft dort rühren, wo ernsthaft niemand hinschaut und das Geld locker sitzt.