Krise im deutschen Mannschaftssport: Zu viele Köche unter dem Tellerrand

Im deutschen Mannschaftssport ist vieles zu starr: Es fehlt an Input von außen und Geld wird willkürlich verteilt. Und auch beim Nachwuchs gibt es Probleme.

Vielen Kinder in Deutschland machen zwar Sport - häufig hören sie als Jugendliche aber wieder auf Bild: dpa

BERLIN taz | Wir müssen leider zu Hause bleiben – wenn die Olympischen Spiele am Freitag eröffnet werden, gilt dies für die deutschen BasketballerInnen, FußballerInnen, HandballerInnen und WasserballerInnen gleichermaßen. Auch die Volleyballfrauen gesellen sich zu der illustren Runde. All diese Mannschaften konnten das Ticket für London nicht lösen. Mit Teamsport hat man es derzeit nicht so in Deutschland.

Seit dem reihenweisen Verpassen der Qualifikation ist viel von einer Krise der Ball- und Mannschaftssportarten die Rede. In London dabei sind lediglich die zwei Hockeyteams sowie die Männer-Volleyballmannschaft. Eine mickriges Auswahl. „Es wäre auch für die Stimmung im olympischen Dorf wichtig gewesen, dass mehr Teams vertreten sind. Das löst auch manchmal eine etwas angespannte Lage“, sagt Bernhard Peters, ehemaliger Hockey-Nationaltrainer, der heute das Leistungszentrum bei 1899 Hoffenheim betreut. Das deutsche Team besteht so auch nur aus 392 nominierten Athleten – seit der Wiedervereinigung waren es nie weniger.

Es sind viele Faktoren, die diese Krise ausmachen. Die Strukturen innerhalb der nationalen Verbände sind zu starr – zum Beispiel funktioniert in vielen Teamsportarten die Verknüpfung zwischen den Leistungszentren im Jugend- und Seniorenbereich nicht.

Auch die Kooperation zwischen den Verbänden ist mangelhaft, genauso deren Zusammenarbeit mit anderen Sportinstitutionen. „Die Verbände holen sich viel zu wenig Input von außen“, sagt Daniel Memmert, Professor für Kognitions- und Sportspielforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln. Damit meint er auch, dass Forschung und Praxis enger gekoppelt sein müssten. „Als ein großes Vorbild sehe ich Australien an“, sagt Memmert, „Sportwissenschaft, Verbände und Vereine sind dort eng verbunden. Es reicht nicht, einzelne Personen als Verantwortliche einzusetzen, die über den Tellerrand hinausschauen.“ Australien stellt in diesem Jahr neun Olympia-Teams.

Mitgliederzahlen stabil

Viele sehen den DOSB in der Pflicht, die Mannschaftssportarten stärker zu fördern – und nicht nur die Disziplinen, in denen möglichst viele Medaillen zu holen sind. Die Vergabe der Fördermittel etwa ist für Peters verbesserungswürdig. „Da verderben zu viele Köche den Brei“, sagt er. In der Vergangenheit war dem DOSB bereits Intransparenz und Willkür bei der Vergabe vorgeworfen worden. Das Bundesministerium des Innern (BMI) schütte die Sportfördermittel an den DOSB lediglich aus, ohne dabei auch die Weitergabe des DOSB an die Sportfachverbände ausreichend zu prüfen. Für Peters kommen die Mannschaftssportarten dabei zu schlecht weg.

Was die Mitgliederzahlen in den Vereinen angeht, so sind diese auf einem relativ stabilen Niveau. „Es haben sich noch nie so viele Kinder in Sportvereinen angemeldet wie heute“, sagt Memmert, „nur nehmen die Drop-outs unter den Jugendlichen zwischen zwölf und sechzehn auch ständig zu.“ Zum Teil sei die Abkehr vom Sport altersbedingt, zum Teil aber könne man entgegenwirken, indem man übergreifend und nicht nur eine (Mannschafts-)Sportart begrenzt trainiere. „Gerade jugendliche Sportler sollten nicht tagein, tagaus nur eine Sportart trainieren.“

Und ob man nun von einer Krise der Ball- oder der Mannschaftssportarten spreche, sei gar nicht so entscheidend. „In diesem Fall kann man das synonym setzen“, sagt Memmert. Die Beliebtheit in der Bevölkerung sei hier wie da enorm – darauf müsse man aufbauen.

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