Kommentar Verfassungsschutz: Geh ma Akten schreddern

In Pasewalk haben viele Bürger begriffen, dass man den Rechten keine Plattform geben darf. In den Stuben der Verfassungsschutzämter wird lieber geschreddert.

Nazis sind Soziopathen. Wer sich ihnen offen entgegenstellt, braucht Mut und verdient jede Unterstützung. Ganz am Rand der Republik, im Uecker-Randow-Tal in Vorpommern, engagieren sich jetzt Bürger gegen eine verharmlosend „Pressefest“ genannte Propagandaveranstaltung der NPD. Ihre Namen landeten auf Listen der Nazis im Internet, aber die wenigsten ließen sich davon einschüchtern. Das berichtet Rainer Dambach. Er ist der Bürgermeister der Stadt Pasewalk; dort meinten die Nazis in Ruhe feiern zu können.

Wer sich gegen Nazis wehrt, tut das zumeist aus einem schlichten Gefühl persönlicher Würde heraus. Er rechnet nicht mit Verdienstkreuzen. Aber er hätte doch gern, dass der Staat und seine Organe sich eindeutig positionieren und konsequent handeln; und wenn sie das aus ideologischer Verblendung oder politischer Feigheit nicht hinbekommen, dann sollen sie sich wenigstens nicht lächerlich machen und denjenigen Bürgern in den Rücken fallen, die bereit sind, die Demokratie vor Ort zu verteidigen.

Der Verfassungsschutz hat mit seiner dummen oder kriminellen Aktenschredderei inzwischen zur Genüge bewiesen, dass es sich bei ihm um einen Dienst handelt, der der Gesellschaft einen solchen eben nicht erweist.

Dort sind Leute beschäftigt, die meinen, eine sinnvolle Tätigkeit bestünde darin, die Website der Linkspartei-Politikerin Petra Pau zu beobachten, statt dorthin zu sehen, von wo aus die Gesellschaft terroristischen Angriffen ausgesetzt ist: nach rechts. Paus Zweifel an der geistigen Gesundheit dieser Leute sind berechtigt. Aber Zweifel allein reicht nicht – nicht aktuell und nicht historisch gesehen.

Die sogenannte politische Elite dieser Republik hat seit 1989 keine Gelegenheit ausgelassen, auch ja jeden braunen Fleck aus dem schönen Bild der deutschen Wiedervereinigung zu tilgen. Da wurde geheuchelt, gelogen und verharmlost, da wurde die Realität im Osten zurechtgebogen und der Popanz linksextremistischer Gewalt so lange beschworen, bis die Nazis sich richtig gut eingerichtet hatten – natürlich auch jenseits der Elbe.

In Pasewalk haben viele Bürger begriffen, dass es so nicht weitergehen kann. In den Stuben der Verfassungsschutzämter fehlt dieses Gefühl für Würde. Dort schreddert man lieber.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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