Zweitausendstes „Tagesbild“ versteigert: Täglich erfolgreich dank Steve Jobs

Edward B. Gordon malt jeden Tag ein Bild. Auf dem Blog des Malers kann man die „Tagesbilder“ ersteigern, heute endet die Auktion für Bild Nummer 2.000.

Tagesbild „Washing“. Bild: Edward B. Gordon

BERLIN taz | Michelangelo brauchte sieben Jahre, um das Altargemälde in der sixtinischen Kapelle fertigzustellen. Diesen Luxus kann sich Edward B. Gordon nicht leisten. Gut, seine Bilder sind kleiner als das über 200 Quadratmeter große Fresko von Michelangelo. Setzt man jedoch Gordons 2.000 „Tagesbilder“ zusammen, kommt man immerhin auf eine Fläche von 45 Quadratmetern.

„A painting a day“ heißt der Blog des 46-jährigen Malers. Und dieses Motto zieht er konsequent durch. Seit fünfeinhalb Jahren streift er durch Berlin, fängt Impressionen ein und lässt sie auf 15x15cm kleinen Leinwänden wieder frei. So ist ein Kaleidoskop Berlins entstanden: Dreckig und laut sind manche Bilder, andere melancholisch und wehmütig.

Es sind zufällige Alltagsszenen. Und doch hat man das Gefühl, ganz kann sich Edward B. Gordon nicht hinter seinen kräftigen Farben verstecken. Ein bisschen scheint er hindurch, seine Vorliebe für schmale Rücken von Frauen, für kräftiges Grün und deprimierendes Grau.

Vom 11. Mai bis zum 23. Juni 2012 ist die Ausstellung „Vier Jahre später“ in der Galerie Liebkranz in Berlin-Mitte zu sehen.

Der Form des Blogs bedient sich Gordon seit November 2006. „Ich kann mich nur bei Steve Jobs bedanken, er hat uns diese Tools gegeben. Das ist für einen Künstler mittlerweile wichtiger als die Farbtube. Ich bin frei vom Feuilleton, frei vom Kunstmarkt und diesem ganzen Klüngel.“

Steve Jobs wollte mit seinen Apple-Computern von Anfang an die Kreativen erreichen, wolle bedienbare Oberflächen schaffen. Als IBM noch von Großrechnern lediglich für Firmen sprach, entwickelte Jobs bereits nutzerfreundliche Computer für Kreativschaffende. Und hatte die Vision, in jedem Haushalt einen Rechner zu installieren.

Demokratisierung der Kunst

Für Gordon ist das die Demokratisierung der Kunst: „Auf meinem Blog sage ich: Schau mal, das habe ich gemalt, gefällt euch das? Oder nicht?“ Das Publikum entscheidet direkt, urteilt, lobt. Keine Kunst-Schickeria schaltet sich ein, keine hohen Schwellen von unterkühlten Galerien müssen überwunden werden. Trotzdem stellt er momentan in Berlin aus.

In einer jungen Galerie, die erst Anfang des Jahres eröffnet hat. Einige „Tagesbilder“, einige großformatige Werke. Ihm ist bewusst, dass ein echtes Bild, auf dem die Erhabenheit der Farbe, der Strich des Pinsels zu erkennen sind, manchmal mehr Wert sein kann als ein digitales Abbild seiner Werke.

Ein schöner Rücken mit Schirm. (Ausschnitt) Bild: Edward B. Gordon

Vergangene Woche malte Edward B. Gordon das 2.000. Bild. Ausnahmsweise ist es ein bisschen größer, die Dame mit Schirm erstreckt sich über 30 cm. Und ebenfalls ausnahmsweise ist es eine Woche lang in Auktion. Bis Montag abend um 19 Uhr kann geboten werden. Stand des letzten Gebotes am Montag um 14 Uhr: 1.500 Euro. An Tagen mit einem weniger runden Jubiläum kosten die Bilder ab 150 Euro aufwärts. Durchschnittlich geht ein „Daily Painting“ für 450 Euro über den digitalen Auktionstisch.

Für Edward B. Gordon ist sein Umgang mit Kunst eine Mentalitätsfrage. Er bewundert Künstler, die den klassischen Weg gehen. Kunsthochschule, Meisterschüler, Galerie. Das war nie sein Weg. „Ich musste immer sehen: Hier habe ich ein Bild gemalt, wie kann ich damit meine Miete bezahlen?“ Auch Gordon hat Klinken geputzt, ging mit seiner Mappe in London von Galerie zu Galerie. Damals, in den 1980er Jahren, kam er sich „wie ein Depp“ vor. Der Blog ist eine Befreiung für ihn, bietet ihm Unabhängigkeit.

Bewusst malt er nicht das Berlin der Touristen, keinen Sonnenuntergang hinterm Brandenburger Tor. Ihm ist eine Frau im Bahnhof Schöneweide beim Kaffeetrinken lieber als die Queen auf Staatsbesuch. 2.000 ist keine Grenze für ihn, er wird weiterhin jeden Tag ein Bild malen und versteigern. Bisher hat er außer einmal über Weihnachten nie ausgesetzt. Im Urlaub war er noch nie und krank auch nicht. Wie muss man sein, um so etwas zu leisten? „Ich bin kein geselliger Mensch. Aber das darf ein Maler ohnehin nie sein. Ich bin gerne alleine.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.