Nächste Stufe der Finanzkrise: Spanien schielt nach dem Schirm

Nach der Herabsetzung durch eine Ratingagentur wächst der Druck auf Spanien. Gerüchte, das Land wolle EU-Milliardenhilfe in Anspruch nehmen, werden dementiert.

Spanien muss sich seine Euro wohl bald in Brüssel borgen. Bild: dpa

MADRID taz | Vieles deutet darauf hin, dass Spanien in Kürze einen förmlichen Hilfsantrag an Brüssel stellen wird. Mehrere Nachrichtenagenturen wollen in Erfahrung gebracht haben, dass die Wirtschaftsminister der 17 Euroländer für den Samstag eine Telekonferenz anberaumt haben, um über ein Rettungspaket für Spanien zu beraten.

Am Nachmittag dann soll dies offiziell bekannt gegeben werden. Der Zeitpunkt wäre gut gewählt. Die Börsen haben Ruhetag, und halb Spanien befindet sich vor dem ersten Gruppenspiel des Weltmeisters gegen Italien am Sonntag im Fußballfieber.

„Wir kommentieren keine Spekulationen“, lautete die einzige Reaktion der spanischen Regierung. Doch auch Madrid musste in den letzten Tagen immer wieder eingestehen, dass Spanien die Bankenkrise, die das Land seit Anfang Mai erschüttert, nicht mehr allein bewältigen kann. Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte am Donnerstag erklärt, erst dann Schritte unternehmen zu wollen, „wenn wir die genauen Zahlen kennen.“

40 Milliarden, vielleicht auch 100

Diese Zahlen könnten schon am Montag vorliegen. Denn dann veröffentlicht eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF), die Spanien in den vergangenen Tagen besucht hat, einen Bericht. Nach ersten Informationen könnten 40 Milliarden Euro nötig sein, um den Finanzsektor zu sanieren. Andere Schätzungen gehen von bis zu 100 Milliarden aus.

Der Sprecher der EU-Kommission, Amadeu Altafaj, erklärte: „Die Kommission hat keine Nachricht über ein Hilfsgesuch durch Spanien.“ Er fügte hinzu: „Wenn ein solche Anfrage kommt, stehen alle nötigen Instrumente bereit, um sie anzuwenden“. Auch Altafaj hatte zuvor immer wieder darauf hingewiesen, dass Spanien zuerst den genauen Finanzbedarf kennen müsse.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, sie wolle keinen Druck auf Spanien ausüben, einen Antrag auf Hilfen des Eurorettungsfonds zu stellen. „Es ist immer klar, dass die Länder, die von der Solidarität partizipieren wollen, selber diesen Antrag stellen“, sagte Merkel in Berlin. Der deutsche Bankenverband hingegen fordert von Spanien vor der Annahme europäischer Milliardenhilfen einen glaubwürdigen Plan für die Rettung der Finanzbranche des Landes.

Desolater Zustand der Banken

Spaniens Banken und Sparkassen leiden unter milliardenschweren toxischen Aktivposten, nachdem die Spekulationsblase im Immobiliensektor platzte. Die Teilverstaatlichung von Bankia, einem Zusammenschluss von sieben Sparkassen rund um die hauptstädtische Caja Madrid, im Mai, machte den desolaten Zustand des spanischen Finanzwesens überdeutlich.

Die Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy hat private, ausländische Berater mit einem Bericht über den Zustand der Banken und Sparkassen beauftragt. Dieser Bericht wird für die zweite Junihälfte erwartet.

Die Gerüchte um das unmittelbar bevorstehende Rettungsgesuch kam, nur wenige Stunden nachdem die Ratingagentur Fitch Spanien wegen der Bankenkrise von A um drei Noten auf BBB herabgestuft hat. Zukunftsaussichten negativ.

Kein Geld mehr auf dem Markt

Nach einer kleinen Verschnaufpause am Donnerstag stieg daraufhin der Risikozuschlag erneut auf 491 Punkte. Seit zehn Tagen liegen die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen bei über 6 Prozent. Spanien kann sich nur noch mit Schwierigkeiten an den Märkten mit Geld versorgen.

Die spanische Zentralbank schließt nicht aus, dass das Land auch in diesem Jahr seine Defizitgrenze überschreiten wird. Es bestehe die Gefahr einer Abweichung im Staatshaushalt für 2012, sowohl bei den Ausgaben als auch bei den Einnahmen, warnte die Zentralbank in ihrem am Freitag veröffentlichten Jahresbericht 2011.

Spanien hat sich bei der EU-Kommission in Brüssel verpflichtet, sein Haushaltsloch in diesem Jahr von 8,9 auf 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. 2013 soll dann die von der EU festgelegte Obergrenze von 3,0 Prozent erreicht werden. Nach Einschätzung der Zentralbank könnten die Ausgaben in den Bereichen Arbeitslosengeld und Renten jedoch höher als geplant ausfallen, abhängig von Arbeitslosenquote, demografischer Entwicklung und Inflation.

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