Kolumne Kulturbeutel: Im Körper des Kaisers

Der Franz B. ist beliebt bei fast allen (Damen) im Land. Aber auch die Bewohner des Planeten Koho sind von dem Erbgut der Münchener Legende fasziniert.

Wo auch immer der „Gott aus Giesing“ auftaucht, umgibt ihn ein Leuchten, das selbst noch im All zu sehen ist. Bild: dpa

Der Kaiser spielt schon wieder. Am Montag war Franz Beckenbauer zu Gast beim Golf- und Landclub Berlin Wannsee, hat für wohltätige Zwecke den Schläger geschwungen und erstaunlich gut gelaunt Fragen zur Final-Niederlage des FC Bayern von vergangenen Samstag beantwortet. Alles verdaut? „Es bleibt einem ja nichts anderes über, es ist ja nun mal so.“

Das Leben geht also doch weiter, obwohl viele das nach dem Elfmeterschießen von München tatsächlich bezweifelt haben sollen. Dem Kaiser geht es also wieder gut. Das wird die Bewohner des Planeten Koho freuen. Denn da oben, in einer zweiarmigen Balkenspiralgalaxie, die aus mehr als 100 Milliarden Sternen besteht, hätte man den Kaiser so gerne.

Wahrscheinlich hoffen sie auf Koho immer noch, dass sie ihn einst hochholen und mithilfe der Beckenbauer’schen DNA ein perfektes Wesen bauen können. Denn als solches gilt er in den Fernen des Alls. Der erste große Versuch, den Kaiser nach Koho zu transferieren, ist indes gescheitert. Davon erzählt Armin Kratzert in seinem Buch „Beckenbauer taucht nicht auf“.

Es ist die Geschichte von Anatol Hinueber, einer Maschine, die zwar ein wenig groß geraten ist, aber dennoch einen menschengleichen Körper über die Straßen Münchens bewegt. Staunend stolpert der Gesandte aus der Ferne durch die Stadt, die ihm schon bald ans künstliche Herz wächst, und macht sich auf die Suche nach Franz Beckenbauer.

„Gott aus Giesing“

Von dem weiß man auf Koho, dass er „der Gott aus Giesing“ genannt wird oder eben Kaiser, und besitzt von ihm ein paar wenige Dinge, die Reste eines 1978er Auswärtstrikots von Cosmos New York etwa und eine schlechte analoge Aufnahme des Liedes „Gute Freunde kann niemand trennen“. Auf Koho glaubt man, Franz Anton Beckenbauer („genetisches Material, das Zukunft hat“) habe diese „Hymne“ höchstselbst komponiert.

Anatol Hinueber lernt viel über die Erde. Er lernt es in München, das so friedlich ist, über dem der Himmel bisweilen so schön blau ist, dass er die Stadt für das Paradies des Universums hält, dass er bald schon für immer auf der Erde bleiben mag. Als er dann auch noch sieht, wie dieser Kaiser verehrt wird, dass man ihn nicht nur wegen seiner fußballerischen Fähigkeiten anhimmelt, sondern auch wegen seiner Fruchtbarkeit, die keine Grenzen zu kennen scheint, ändert er seinen Plan.

Am Ende fasst er den Kaiser. Doch anstatt ihn nach Koho zu transferieren, geht er, das programmierte, extraterrestrische Wesen, im Kaiser auf und lebt in dessen Körper weiter („Mein Schicksal heißt ab heute Beckenbauer, und auf dem Planeten Erde werde ich einst begraben sein“). Die Maschine lernt zu lieben.

Wie das gehen soll? Ganz einfach: „Ich erkenne den Bedarf, beobachte, analysiere, berechne die Zusammensetzung der Ressourcen und produzieren dann eben: Gefühle.“ Es ist ein schöner, die Stadt München auf eine nett naive Weise verherrlichender Schmarrn, den Kratzert da geschrieben hat. In der lernt Hinueber gleich zu Beginn viel über den Fußball.

Lehre aus der Champions-League

„Das atemlose Gerenne auf dem Platz, das Pfeifen des Schiedsrichters, die Stürze, das Gestikulieren des Trainers dienen allenfalls der Verschleierung. Denn wie gespielt wird, wer ein Tor schießt, wer gewinnt, das wird vorher genau ausgemacht, und zwar an der Säbener Straße, dem Mittelpunkt der Welt“, glaubt er zu wissen.

Was Anatol Franz Hinueber Beckenbauer wohl aus dem Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea gelernt haben mag? Man würde es gerne wissen. Herr Kratzert, übernehmen Sie!

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