Energiewende braucht Stromleitungen: Wunschzettel für Berlin

Beim Energiegipfel von Kanzlerin Merkel und ihrem neuen Umweltminister Altmaier will sich Niedersachsens Ministerpräsident McAllister für Tempo beim Netzausbau einsetzen.

An ihm liegts nicht, wenn aus der Energiewende nichts wird: David McAllister, Ministerpräsident. Bild: dpa

HANNOVER taz | Am heutigen Mittwoch reist Ministerpräsident David McAllister (CDU) zum Energiegipfel nach Berlin. Bereits tags zuvor stellte er die Forderungen Niedersachsens in Hannover gemeinsam mit Umweltminister Stefan Birkner (FDP) der Presse vor – ein ungewöhnlicher Schritt: Was seine Reisen nach Berlin angeht, ist Niedersachsens Regierungschef sonst stets bedacht diskret. Vor dem Gipfel bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aber – zugleich das erste Zusammentreffen der 16 Länderchefs mit dem neuen Bundesumweltminister Peter Altmaier (ebenfalls CDU) – bezieht McAllister öffentlich Position.

Zum ersten Mal seit dem schwarz-gelben Atomausstiegsbeschluss von vor einem Jahr kommen die Länder in Berlin zusammen, um ihre Konzepte für die Energiewende untereinander und mit dem Bund abzustimmen. Niedersachsen setzt dabei vor allem auf Windenergie: Bis 2020 sollen Windkraftanlagen an Land und auf See den landesweiten Stromverbrauch rein rechnerisch decken können. 19 von derzeit 30 bundesweit genehmigten Offshore-Projekten sollen über Niedersachsen ans Stromnetz zu Land angeschlossen werden.

Sorgen bereitet hier allerdings der schleppende Ausbau der Stromnetze: Ohne Beschleunigung, so McAllister, werde die „gigantische Herausforderung“ der Energiewende nicht gelingen. Besonders beim niederländischen Staatsunternehmen Tennet, das allein in Niedersachsen rund 400 Kilometer Leitungen zum Transport von Strom aus Offshore-Windparks in der Nordsee in den Süden Deutschlands plant, kommt es derzeit zu Verzögerungen: Der Tennet fehlt schlicht das Kapital, um die für die Ausbaupläne der Bundesregierung nötigen Investitionen von rund 15 Milliarden Euro selbst zu realisieren.

Eine „Lösung ohne Denkverbote“ fordern McAllister wie Birkner vom Bund – und erneuern ihren Vorschlag, auch eine staatliche Beteiligung an Tennet oder gar eine bundeseinheitliche Netzbetreiber-Gesellschaft zu erwägen. „Offshore ist keine norddeutsche, sondern eine bundesweite Sache im Interesse aller Bundesländer“, sagte Umweltminister Birkner.

15 Prozent des deutschen Strombedarfs sollen nach den Plänen der Bundesregierung bis 2030 allein aus Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee gedeckt werden - eine Gesamtleistung von 25.000 Megawatt.

Einen Masterplan Offshore-Windenergie fordern die fünf norddeutschen Bundesländer - darunter auch Niedersachsen - zur Umsetzung dieser Ziele schon seit dem Frühjahr.

Geklärt werden sollen darin die Anbindung der Windanlagen zu See ans Stromnetz an Land, Finanzierungsfragen und Fragen der Haftung für den Fall, dass die unterirdischen Kabel ausfallen - und den Windpark-Betreibern die Vergütung für die Einspeisung ins Stromnetz entgeht.

Für einen bundesweit koordinierten Netzausbau brauche es zudem eine Bundesbedarfsplanung ähnlich dem Bundesverkehrswegeplan, führten McAllister und Birkner an. Ein solcher Bedarfsplan müsse mit den Ländern abgestimmt werden. Auch die Öffentlichkeit soll nach den Vorstellungen Niedersachsens stärker beteiligt werden.

Dass sich Niedersachsen mit diesen Forderungen beim Berliner Gipfel am Mittwoch durchsetzen kann, bezweifelt McAllister allerdings selbst: Er sehe das Treffen eher als Beginn eines Abstimmungsprozesses zwischen Bund und Ländern, denn als Ende einer Diskussion, sagte er.

Und auch die Opposition hat Zweifel, dass McAllisters erstes Zusammentreffen mit dem neuen Bundesumweltminister Ergebnisse bringt: Für zu unkonkret halten SPD, Grüne und Linksfraktion seine Forderungen. McAllister reise mit „Wunschzetteln und Arbeitsappellen“ nach Berlin, erklärten etwa die Grünen. Eine eigene Position für das geplante Endlagersuchgesetz aber habe er nicht dabei.

Das Thema hatte McAllister bei seinem Pressetermin im Vorfeld des Gipfels nur am Rande angeschnitten. Und erklärt, einen parteiübergreifenden Konsens wünsche er sich noch vor der Sommerpause. Der frisch ernannte Umweltminister Altmaier sei „herzlich eingeladen“, sich dafür in Niedersachsen zu erkundigen – bis hin zu einem Besuch im maroden Atommülllager Asse, wo rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen modern.

Konkreter wird da Altmaiers Hannoveraner Amtskollege Birkner: Der neue Minister müsse die Sanierung der Asse umgehend zur Chefsache machen, forderte Birkner im Hamburger Abendblatt.

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