Gewaltsamer Polizeieinsatz in Rosenheim: Prozess gegen Familie eingestellt

Eine Familie wurde von Polizisten verprügelt und stand dann selbst vor Gericht. Nun ist das Verfahren eingestellt worden, doch auch die Polizisten haben nichts mehr zu befürchten.

Erst verprügelt, dann selbst angeklagt: Der Vater von Sandra B. vor Gericht. Bild: dpa

MÜNCHEN taz/dapd | Der viel diskutierte Prozess gegen eine Rosenheimer Familie infolge eines gewaltsamen Polizeieinsatzes ist am Freitag überraschend beendet worden. Das Gericht stellte das Verfahren, das bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt hatte, wegen Geringfügigkeit ein. Gleichzeitig zog die Familie ihre Anzeige gegen die Polizisten zurück.

Hintergrund des Rechtsstreits am Amtsgericht Rosenheim war ein Polizeieinsatz im November 2010. Damals waren Beamte auf der Suche nach einem Mann, der einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen werden sollte. Weil sie den Gesuchten nicht fanden, befragten die Beamten die Nachbarin Sandra B.. Offenbar eskalierte das Gespräch und endete damit, dass die 36-Jährige, ihr Mann und ihre Eltern mehrere Tage mit schweren Verletzungen im Krankenhaus lagen. Darüber, was geschehen war, machten die Familie und die Beamten unterschiedliche Aussagen.

In der Folge hatte die Familie die Beamten angezeigt – das Verfahren wurde im Herbst 2011 eingestellt, weil das Gericht den Beamten Glauben schenkte. Die hatten schriftlich ausgesagt, die Familie sei von Anfang an aggressiv aufgetreten. Die Familie hatte Widerspruch eingelegt, das Verfahren lief noch.

Gleichzeitig hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Familienmitglieder erhoben, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Körperverletzung. Die Familie hatte sich gegen die Vorwürfe gewehrt, ihr Anwalt hatte mangelnde Fairness seitens der Staatsanwaltschaft beklagt, zudem hatten sie sich an zahlreiche Medien gewandt.

Psychische Belastung überstanden

Das Verfahren gegen die Familie wurde am Freitag auf Vorschlag des Gerichts eingestellt, das auf die geringe Schuld der Angeklagten hinwies. Offenbar spielte auch die mögliche Dauer des Verfahrens eine Rolle. „Die Staatsanwaltschaft hat gedacht, das Verfahren gegen Familie B. würde schnell gehen“, glaubt der Anwalt der Familie, Hartmut Wächtler. Als die Familie sich wehrte, sei die Staatsanwaltschaft geneigt gewesen, sich anderweitig zu einigen. Auch der Familie sei klar, dass man mindestens zwei Jahre hätte prozessieren müssen, ohne mit einem klaren Urteil rechnen zu können.

Bedingung für die Einigung war laut Wächtler, dass alle Seiten verzichten, künftig etwas in der Angelegenheit zu unternehmen. Deshalb hat die Familie ihren schwebenden Strafantrag gegen die Beamten nun zurückgezogen. Der Vater von Sandra B., ein Ex-Polizist zeigte sich dennoch unzufrieden, weil nun die Polizisten nicht belangt werden. Glücklich sei er jedoch, dass die psychische Belastung jetzt überstanden sei.

Mit dem Ende des Verfahrens besteht für die Familie keine Gefahr mehr, Geldauflagen oder Prozesskosten zahlen zu müssen. „Andererseits ist nicht geklärt, was in dem Hausflur passiert ist", so Wächtler. Er sieht in dem Ergebnis vom Freitag daher vor allem einen allgemeinen Erfolg in Sachen Polizeigewalt in Bayern: Das Verfahren habe das Problembewusstsein geschärft. „Das ist schon ein kleiner Schritt."

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