Portrait einer Eigensinnigen: Die Außenseiterin

Die polnische Künstlerin Malgorzata Neubart, derzeit Stipendiatin im Harzstädtchen Northeim, ist in der Ikonenmalerei verwurzelt. An der Hamburger Kunsthochschule, sagt sie, habe sie gelernt, was sie nicht will

"Warten": So ist dieses Selbstbildnis von Malgorzata Neubart betitelt. Bild: Kramer Fine Art

Northeim taz| Northeim liegt zu Füßen des Harzes, und wer eine Station vor der Universitätsstadt Göttingen aus dem Zug steigt, der landet in einer so typischen wie eigenen Kleinstadt: Der Dönerladen am Anfang der Fußgängerzone heißt „La Dolce Vita“, alkoholische Getränke gibt es nur zum Mitnehmen und auf der Fensterscheibe des örtlichen Waffengeschäftes prangt in großen, handgeschriebenen Buchstaben „FÜR FRAUEN: PFEFFERSPRAY“.

Nicht wenige Geschäfte in der Fußgängerzone stehen leer, überhaupt verliert die Stadt seit einiger Zeit jedes Jahr 200 Bewohner. Immerhin gibt es neben dem „City Center“ aus Beton auch einige hundert Meter gut erhaltene Stadtmauer. Im Schatten dieser Mauer duckt sich ein schmales Haus: Hier, in der ehemaligen Scheune der Ackerbürgerfamilie Reddersen, residiert derzeit die Hamburger Malerin Malgorzata Neubart.

Seit letztem Herbst, als wie jeden Herbst der Nebel aus den umliegenden Flüsschen die Landschaft verzauberte, ist sie hier vor Ort, als Inhaberin des von der Stiftung der Kreissparkasse Northeim ausgeschriebenen einjährigen Stipendiums und wird somit noch bis diesen Herbst bleiben. Miete und Nebenkosten des Ateliers wie einer kleinen Wohnung werden übernommen; pro Monat gibt es 750 Euro dazu.

Neulich waren Freunde von ihr zu Besuch und sie zeigte ihnen ganz begeistert die örtlichen Fachwerkhäuser, die vom allmählichen Einfluss des Hessischen erzählen, aber die Freunde waren nur mäßig zu begeistern; so ungewöhnlich fanden sie die Häuser nicht. Neubart aber kommt ursprünglich aus Polen und dort kennt man Fachwerkhäuser der Northeimer Art eben so gar nicht.

„Die Intention der Stiftung ist, das die jungen Leute, die in der Regel ihr Studium beendet haben, ein Jahr Zeit haben, frei von monetären Zwängen ihren weiteren, künstlerischen Werdegang vorzubereiten“, sagt Gernot Bollerhei von der Northeimer Kreissparkasse und dort zuständig für das Stipendium.

Malgorzata Neubart ist Northeim sehr, sehr recht: „Ich habe genau so eine Arbeitsmöglichkeit gesucht: einen großen Raum, einen bestimmten Zeitrahmen, um mich wirklich zu konzentrieren auf meine Arbeit, denn ich brauche große Ruhe, um Zeit mit mir und meinen Bildern zu verbringen“, sagt sie. Mit Einsamkeit könne sie sehr gut umgehen.

Zwei Jahre ist es her, dass Neubart, Jahrgang 1977, ihr Kunststudium an der Hamburger Kunsthochschule abgeschlossen hat. „Mir war schnell klar, dass meine malerische Position überhaupt nicht den Geschmack innerhalb der HFBK traf“, sagt sie. Ostkunst sei das, was sie mache; mehr als einmal musste sie sich das anhören.

Und es fällt nicht weiter schwer, sich vorzustellen, dass eine Künstlerin wie sie, mit ihrer Verwurzelung in der Ikonenmalerei, die unumwunden zugibt, dass sie von einem Bild erst eine Vision haben muss, bevor sie anfängt diese Vision malerisch umzusetzen, in der Hamburger Hochschule mit ihren halbjährlich wechselnden Strömungen und ihren Zitaten aus der Welt des Pops und des Anti-Pops künstlerisch eine Außenseiterin bleiben musste.

Aber genau die Konfrontation will sie: „Konfrontieren – das ist doch für die Entwicklung wichtig“, sagt Neubart. „Nur so bekommt man Impulse: indem man sich durch das definiert, was man nicht will.“

Neubart kommt aus einer Warschauer Künstlerfamilie: Mutter Bildhauerin, Vater Innenarchitekt, der Großvater hat gemalt. Ein Studium der Druckgrafik an der Warschauer Kunsthochschule bricht sie ab, und damit der Bruch auch mit aller Konsequenz (ihr Lieblingswort) erfolgen kann, zieht sie nach Hamburg und bewirbt sich an der HFBK.

„Wenn ich male, steht für mich Sensibilität im Vordergrund, nicht Kreativität“, heißt es im schriftlichen Teil ihrer Abschlussarbeit. Und dann ist da noch die Sache mit dem Handwerk: „Ein Handwerk, das dauert viele Jahren; das muss man lernen.“

Und sie will jetzt nicht ihre ehemalige Hochschule kritisieren, es ist eher eine Art noch immer anhaltendes Erstaunen, dass man ein ganzes Kunststudium absolvieren kann, ohne klassisches Handwerk auch nur im Ansatz zu erproben: „Ein Bild muss überhaupt nicht ideal sein“, sagt sie: „Aber was ist, wenn die Hände falsch gemalt sind und es ist sofort zu sehen?“

Neubart findet, das Handwerkliche müsse man beherrschen, um es dann nicht zu zeigen, damit andere Dinge im Vordergrund stehen: das Sprachlose, das, was mehr ist als Worte. Das, weshalb eine malt – und nichts erklärt.

Und so wird sie die kommenden Monate in Northeim leben, wird die Ruhe genießen, ohne Kunstverein und Kulturkneipe und Veranstaltungskalender. Sie geht langsam durch ihr Atelier, schaut auf ihre Bilder und schaut, wie diese sie anschauen. Sollen sie doch.

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