Spätfolgen der Drogensucht: Kokain lässt Gehirn schrumpfen

Bei Kokainabhängigen schrumpfen wichtige Teile der Hirnrinde schneller als bei Probanden einer unbelasteten Kontrollgruppe. Forscher warnen vor den Spätfolgen des Kokainkonsums.

Zu der Line und dem Geldscheinröhrchen kommt jetzt noch das schrumpfende Gehirn. Bild: imago/Enters

LONDON dapd | Der häufige Genuss von Kokain beschleunigt die Alterung des Gehirns. Bei Menschen, die regelmäßig diese Droge nehmen, schrumpft die graue Masse des Gehirns schneller und stärker als bei Nicht-Kokain-Nutzern gleichen Alters, Geschlechts und Bildungsstands, wie ein britisches Forscherteam herausgefunden hat.

Der jährliche Verlust an Gehirnmasse sei bei Kokainabhängigen fast doppelt so hoch wie bei gesunden Vergleichspersonen, berichten sie im Fachjournal Molecular Psychiatry.

Am stärksten betroffen sei die Hirnrinde im Stirn- und Schläfenbereich. Dort liegen Regionen, die entscheidend sind für Aufmerksamkeit, Selbstkontrolle und das Gedächtnis.

Nach Angaben der Forscher zeigen viele Kokainabhängige mittleren Alters bereits kognitive Ausfälle, die normalerweise nur in höherem Alter auftreten.

Bisher sei aber unklar gewesen, inwieweit sich diese Anzeichen für einen beschleunigten geistigen Abbau auch im Gehirn widerspiegeln. Jetzt seien eindeutige Hinweise auf eine anormale Alterung des Gehirns bei Kokainsüchtigen gefunden worden, sagen die Forscher.

„Vor allem junge Menschen, die Kokain nehmen, müssen dringend über dieses Langzeitrisiko der verfrühten Gehirnalterung aufgeklärt werden“, warnen Karen Ersche von der University of Cambridge und ihre Kollegen.

Hohes Risiko für Süchtige

Von den geschätzten 21 Millionen Kokainnutzern weltweit sei rund ein Prozent als abhängig einzustufen. Diese Menschen hätten ein hohes Risiko, vorzeitig wichtige Funktionen ihres Gehirns zu verlieren. Diese Erkenntnis müsse nun sowohl in der Drogenprävention als auch in der Therapie vor allem älterer Kokainabhängiger stärker berücksichtigt werden.

Für ihre Studie hatten die Forscher die Gehirnstruktur von 120 Menschen im Alter von 18 bis 50 Jahren mit dem bildgebenden Verfahren der Magnetresonanztomographie (MRI) untersucht. Die Hälfte der Versuchspersonen war kokainabhängig, die andere Hälfte hatte nie Drogen genommen.

Die Vermessung der Gehirne ergab, dass bei allen Personen die graue Substanz des Gehirns mit steigendem Alter leicht abnahm. Bei den Kokainnutzern jedoch war der Verlust an Gehirnvolumen mit 3,08 Milliliter fast doppelt so hoch wie bei den gesunden Probanden. Diese verloren nur rund 1,69 Milliliter pro Lebensjahr, was nach Angaben der Forscher dem normalen Alterungsprozess des Gehirns entspricht.

Eine Hirnregion schrumpft nicht mit

Eine Gehirnregion war bei den Kokainabhängigen jedoch von der Schrumpfung ausgenommen: „Teile des Striatums scheinen bei den Drogenabhängigen gegenüber den normalen altersbedingten Verlusten resistent zu sein“, schreiben die Forscher. Dieser Hirnteil habe bei den Kokainabhängigen deutlich weniger an Volumen verloren als bei den gesunden Kontrollpersonen.

Das Striatum ist ein Teil des Großhirns, der im Hirninneren liegt und unter anderem auf den Hirnbotenstoff Dopamin reagiert, aber auch für die Drogensucht eine Rolle spielt.

„Bereits zuvor gab es Berichte über ein vergrößertes Striatum bei Drogenabhängigen“, sagen die Forscher. Das sei wahrscheinlich eine Folge veränderter Botenstoffaktivität in diesem Gehirnbereich. Auch dies spiegele den anormalen Alterungsprozess des Gehirns bei den Kokainabhängigen wider.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.