Kolumne Fernsehen: Verstehen Sie Spa... ähm, irgendwas?

Das mit dem Nicht-Verstehen scheint ein grundsätzliches Problem bei mir zu sein. Sollte ich vielleicht doch mal einen Hörtest machen?

Es gibt zwei Arten von Menschen: die, die Gebrauchsanweisungen lesen, und die, die sich von so einem schlecht übersetzten Heftchen nichts vorschreiben lassen und nie reinschauen. Ich gehöre eindeutig zur zweiten Gruppe. Als mir mein aktueller Fernseher zugelaufen ist – er wartete vor meinem Haus auf dem Bürgersteig auf mich –, lagen Fernbedienung und Gebrauchsanweisung obendrauf, jetzt liegt Letztere irgendwo. Nach ihr suchen würde ich niemals – das käme einer Niederlage gleich, einem Verrat meines Lebensentwurfs.

Andererseits wäre es ganz praktisch, dann würde ich endlich mal verstehen, wofür die ganzen Knöpfe auf der riesigen Fernbedienung eigentlich da sind. Ich benutze nur einen Bruchteil regelmäßig. Vielleicht kann mein Gerät also Dinge, die ich noch nicht mal ahne, die meine Vorstellungskraft übersteigen.

Als ein Kollege mir von einer Pressemitteilung erzählt hat, wonach es vielen Deutschen so geht wie mir, war ich erst mal erleichtert, weil ich also offenbar nicht allein war – bis ich die Meldung im Wortlaut gelesen habe: „Laut aktuellen Zwischenergebnissen der großen forsa-Umfrage Hören wiegen Hörminderungen in der Wahrnehmung der Betroffenen an keinem anderen Ort schwerer als vor dem heimischen TV-Gerät. Rund drei von vier Befragten gaben an, ihren Fernseher schlechter zu hören bzw. zu verstehen“ – als was? Und was heißt „rund drei“? Nur die Dicken? Das mit dem Nicht-Verstehen scheint ein grundsätzliches Problem bei mir zu sein. Sollte ich vielleicht doch mal einen Hörtest machen?

Wenn das alles wirklich nur an meinen Ohren liegt, ist die Lösung ganz einfach, was mich dann wieder beruhigt hat: „Die (Verbesserung des Hörvermögens) konnte dank moderner Hörgeräte zumeist schon innerhalb einer zweiwöchigen Testphase erreicht werden“, steht in der Pressemitteilung der HÖREX Hör-Akustik eG, „einer führenden Leistungsgemeinschaft des bundesdeutschen Hörakustiker-Handwerks mit aktuell über 380 Fachgeschäften“.

Da also wird mir geholfen – wenn ich nicht zu einem bemitleidenswerten Fünftel gehöre: „79 Prozent der Teilnehmer stellten nach dieser Probezeit fest, dass sich ihr Sprachverstehen beim Fernsehen dank der Testgeräte verbessert hatte. 46 Prozent sagten sogar, dass sie den Fernsehton mit Hörgerät deutlich besser verstehen.“ Den letzten Jubelsatz mal beiseite – ist es wirklich ein Erfolg, wenn 21 Prozent der Studienteilnehmer weiter raten müssen, was der Mann im Fernsehen da gerade erzählt? Wobei das natürlich ein interessanter Erklärungsansatz für den Erfolg von Markus Lanz ist. Nett anzuschauen ist er ja.

Richtig beunruhigend ist die Information, dass an der Studie, die noch bis 2013 läuft, alle teilnehmen können, die das Gefühl haben, schlecht zu hören – „unabhängig davon, ob sie bereits Hörgeräte tragen oder nicht“. Hört man also auch mit Hörgerät nicht zwangsläufig besser?

Vielleicht sollte ich doch erst mal nach der Gebrauchsanweisung suchen, bevor ich ein HÖREX-Fachgeschäft besuche. Scheiß auf den Lebensentwurf! Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.