Wartezwang in Extremsituation: Notruf des Frauennotrufs

Opfer einer Vergewaltigung können sich an den Frauennotruf wenden. Der aber hat eine lange Warteliste und soll auch in Zukunft nicht mehr Geld bekommen

Sechs Monate können bis zur persönlichen Beratung vergehen: Der Frauennotruf hat eine lange Warteliste Bild: kis

Angstzustände, Schwierigkeiten, den Alltag überhaupt zu bewältigen bis zu Selbstmord-Gedanken: Die Auswirkungen einer Vergewaltigung können vielfältig sein. Auch wenn die Tat schon länger zurückliegt, kann eine medizinischen Untersuchung oder die Entlassung des Täters die traumatische Situation einer Frau wieder aktuell werden lassen. Hilfe bekommen Frauen, die Opfer von einer Vergewaltigung wurden, in Bremen bei der „Psychologischen Beratungsstelle des Notrufs für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V.“, dem Frauennotruf.

Niedrigschwellig und umfassend soll dessen Hilfe sein, schneller, mehr auch an Alltäglichkeiten orientiert als eine langfristige Psychotherapie. Wenn eine Frau sich jedoch entschließt, sich Hilfe zu holen, so ist nicht mehr sicher, dass sie diese auch zeitnah bekommt. Schon länger muss der Frauennotruf eine Warteliste führen.

„Bis zu sechs Monaten kann es dauern bis zu einem Termin für ein persönliches Beratungsgespräch“, erklärt Daniela Müller, Psychologin des Frauennotrufes. Aus ihrer Sich sei es „unverantwortlich“, Menschen, die aufgrund einer massiven äußeren Gewalterfahrung in eine schwere psychische Krise geraten sind, lange Wartezeiten zuzumuten. Wird ihr oder einer ihrer vier Kolleginnen bei der telefonischen Anmeldung klar, dass die Vergewaltigung erst ein paar Tage her ist, dass ein Gerichtstermin ansteht oder die Frau suizidgefährdet ist, setzen sie alle Hebel in Bewegung, sie dennoch zeitnah zu beraten. Und das heißt: ehrenamtlich.

Selbst dann aber kann es noch Tage dauern, bis die Psychologinnen Zeit haben. Mit zwei Vollzeitstellen betreuten sie im vergangenen Jahr 176 Betroffene. 43 Frauen aber konnten sie nicht helfen. Die Nachfrage steigt, in den letzten zwei Jahren um 16 Prozent. Der Frauennotruf setzt deshalb nun selbst einen Notruf ab, denn nach Plänen des Gesundheitsressorts soll der Etat wieder nicht erhöht werden.

„Wir bedauern das, aber man müsste dann an anderer Stelle Geld einsparen“, so Karl Götz, Sprecherin der Gesundheitssenatorin. Der Anstieg liege vor allem an Klientinnen, deren Fälle schon länger zurückliegen. „Die akute Versorgung ist gewährleistet“, so Götz. Eben das aber sei nicht der Fall, heißt es vom Frauennotruf selbst. Die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe spricht gar von „mangelnder Fachkenntnis“ im Ressort: „Viele Frauen verdrängen die Vergewaltigung. Auch wenn es nach Wochen oder Monaten zu einer Retraumatisierung kommt, brauchen sie direkt Hilfe, das sind akute Fälle.“

Für Hauffe ist das ambulante Hilfesysteme für Gewaltopfer in Bremen insgesamt unterfinanziert. Bei einer Vergewaltigung brauche man eine andere Beratung als bei häuslicher Gewalt. Dabei etwa gehe es vielmehr um rechtliche Fragen, die eine räumliche Trennung vom Mann und die Versorgung der Kinder betreffen. Um diese Fragen kümmere sich der Verein „Neue Wege“, die im Jahr mit nur 15.000 Euro auskommen sollen. „Es heißt immer, wir hätten so viele Angebote, aber das stimmt nicht“, so Hauffe. „Wir haben in Bremen nicht die Situation, dass Opfer zeitnah Hilfe bekommen.“

Das Problem ist eigentlich hinlänglich bekannt. Claudia Bernhard, Frauenpolitikerin der Linken, sprach deshalb von „Lippenbekenntnisse“ von Bürgerschaft und Senat, sich des Themas „Gewalt gegen Frauen“ verstärkt anzunehmen. Wie die Linke forderte die familienpolitische Sprecherin der CDU Fraktion, Sandra Ahrens, eine Etaterhöhung. „Wir brauchen auch zusätzliche Gelder für Frauen mit Migrationshintergrund“, so Ahrens.

Auch das bestätigt sich beim Frauennotruf. 40 Prozent der beratenen Frauen haben einen Migrationshintergrund. Eine der Psychologinnen spricht Türkisch und Kurdisch, sie hat eine eigene Warteliste. „Wir mussten aber auch schon Frauen wegschicken, weil wir kein Geld für einen Dolmetscher auftreiben konnten“, sagt Daniela Müller. Dass Geld fehlt, sehen auch die Regierungs-Fraktionen. SPD und Grüne beteuerten, in „intensiven Beratungen“ an einer Lösung zu arbeiten, um in den Haushaltberatungen Anfang Mai mehr Geld für de Frauennotruf aufzutreiben.

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