Film „My Week with Marilyn“: Verkörperung eines Klischees

Aus den Tagebüchern des Filmers Colin Clark: „My Week with Marilyn“ erzählt von einer Begegnung mit der Ikone. Doch die Bilder der Monroe liefern nichts Überraschendes.

Kennt man doch, das Bild, oder? Michelle Williams als Marilyn. Bild: dpa

„Ich hab die Monroe geküsst!“ Wenn es einen Superhelden gäbe, der mit Supergehör Raum und Zeit durchdringen könnte, um die in den letzten 50 Jahren meistgeäußerte Angeberei an den Stammtischen dieser Welt zu ermitteln, dann würde dieser Satz sicher einer der oberen Plätze belegen. Im Unterschied zu vielen anderen, die sich mit einem Moment intimer Nähe zur Zentralikone der Filmgeschichte gebrüstet haben, ist der Brite Colin Clark ihr immerhin nachweislich tatsächlich begegnet.

Er hat 1956 beim Dreh des Films „Der Prinz und die Tänzerin“ gearbeitet, als „dritter Regieassistent“, wie es in den heutigen Credits heißt. Und er hat über seine Eindrücke in den 90er Jahren zwei Bücher geschrieben – deren Verfilmung mit „My Week with Marilyn“ der 2002 Verstorbene nun nicht mehr erleben konnte. Man kann sich dennoch gut vorstellen, mit welch lüsterner Energie der alte Herr zum Filmstart erneut bestürmt worden wäre, zu berichten, besser: zu beichten, wie es damals war, so ganz nah dran an Marilyn …

Das Ganze kam so: Im Jahr 1956 also kam Marilyn Monroe, damals der Welt größter Kinostar, nach London, um zusammen mit Laurence Olivier, damals der Welt größter Schauspieler, einen Film zu drehen. Aus der Synergie, die sich sämtliche Beteiligten vom kombinierten Ruhm und Talent versprachen, wurde nichts. Die beiden Stars verfeindeten sich offenbar schon vor dem ersten Take, die Dreharbeiten gestalteten sich legendär schwierig, und das Ergebnis, der Film „Der Prinz und die Tänzerin“, fiel auch noch an den Kinokassen und bei der Kritik durch.

Doch in „My Week with Marilyn“ ist das alles mehr oder weniger nur der Hintergrund, vor dem sich die Erinnerung des jungen Mannes namens Colin, hier gespielt von Eddie Redmayne, als sorgfältig ausgestatteter 50er-Jahre-Kostümfilm entfaltet, nachgestellte Wochenschau-Imitationen in wackligem Schwarz-Weiß inklusive.

Eitel und übermäßig selbstbewusst

Wie im Genre der Memoiren üblich, haftet der Schilderung von Anfang an etwas Eitles und übermäßig Selbstbewusstes an. Colin ist ein toller Hecht, ein nassforscher Draufgänger, der es mit bloßer Dreistigkeit schafft, den Job beim Film zu bekommen (die Eltern des echten Colin Clark waren mit Laurence Olivier und Vivien Leigh befreundet), wo er sich aber augenblicklich bewährt.

Es gelingt ihm zum Beispiel, bei der Ankunft in London die verhassten Paparazzi zum falschen Haus zu locken, während er Marilyn samt Entourage unbehelligt an einen anderen Ort lotsen kann. Wenige Heldentaten später hat ihn Marilyn, notorisch unsicher und von Depressionen geplagt, auch schon in ihr Herz geschlossen. So sehr, dass sie mit ihm nackt im See baden geht.

Angedeutet wird sogar, sie sei zu noch mehr bereit gewesen, doch Colin bleibt natürlich Gentleman. Glaubt man dem weiteren Verlauf des Films, ist es letztlich sein alleiniger Verdienst, dass „Der Prinz und die Tänzerin“ überhaupt zu Ende gedreht werden konnte.

Unwohlsein beim Zuschauer

Während „My Week With Marilyn“ so von überlieferter öffentlicher Anekdote zu apokryphem intimem Bekenntnis und zurück plätschert, überfällt den Zuschauer zweierlei Unwohlsein.

Das eine hat mit den Verkörperungen zu tun. Man könnte sie alle der Reihe nach durchgehen und etwa Julia Ormonds Darstellung von Vivien Leigh als zu wünschen übrig lassend bemängeln, aber lohnend ist solche Performancekritik nur für die im Zentrum stehenden Kenneth Branagh als Laurence Olivier und Michelle Williams als Marilyn Monroe. Denn interessanterweise stehen sich mit ihnen auch zwei gegensätzliche Verfahren der „Verkörperung“ gegenüber.

Kenneth Branagh mit seinen leicht teigigen Zügen besitzt denkbar wenig Ähnlichkeit mit dem scharfen Profil Oliviers. Und trotzdem lässt Branagh das große Vorbild tatsächlich lebendig werden. Sicher, er folgt dabei dem Klischee, das Olivier als arrogant, berechnend und verächtlich zeichnet, als einen, der den Sex-Appeal „unserer“ Marilyn zwar für seine Zwecke ausnutzen wollte, aber selbst offenbar immun dagegen war. Was ihn nicht nur in der Lesart dieses Films zum schlechten Menschen macht.

Marilyn ohne Selbstironie

Branagh aber leistet sich in diesem Bekenntnis zum Schlechtsein eine tiefe Selbstironie, die seiner Figur die wichtige dritte Dimension verleiht. Selbstironie aber ist genau das, was weder Marilyn als historischer Figur noch Michelle Williams als ihrer Darstellerin zugestanden wird.

Mit großem Fleiß hat sich Williams Monroes Mimik, ihre Posen und ihre Körperhaltung zu eigen gemacht. Aber nie hat man hier mehr vor Augen als den tradierten Bilderkatalog: Marilyn mal als Kind, mal als verruchte Frau, mal als Nervenwrack, mal als Naturschönheit, mal als Vamp … Auch hier wiederholen der Film, das Drehbuch, die Regie, die Verkörperung nur die Klischees.

Doch je ähnlicher die Inszenierung Williams auf Marilyn trimmt, desto deutlicher wird der große Unterschied – von der Fülle der Figur bis zur Fülle des Charakters. Eigentlich würde man Marilyn gern mal als manipulatives Biest sehen, das keiner mehr küssen will.

„My Week with Marilyn“. Regie: Simon Curtis. Mit Michelle Williams, Eddie Redmayne, Kenneth Branagh u. a. Großbritannien/USA 2011, 99 Min.

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