Urteil im Kino.to-Prozess: Wie Coca Cola und Kalaschnikow

Der Chefprogrammierer der illegalen Film-Plattform Kino.to ist zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Nebenklage nannte ihn einen „Tastaturtäter“.

Aufsehenerregend: Bastian P. vor Gericht. Bild: dpa

LEIPZIG taz | Der Chefprogrammierer des Filmportals Kino.to ist vor dem Landgericht Leipzig zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Der Richter blieb damit unter der Forderung des Staatsanwalts, der vier Jahre und zwei Monate verlangt hatte.

Kino.to habe die schwerste Urheberrechtsverletzung begangen, „die wir in Deutschland jemals hatten“, hatte Staatsanwalt Dietmar Bluhm am Vormittag in seinem Plädoyer festgestellt. Bastian P. habe zwischen Januar 2009 und Juni 2011 über 1.110.543 Links urheberrechtlich geschützte Werke zugänglich gemacht und verwertet, ohne die Rechte daran zu besitzen.

Als „Schöpfer“, „Mechaniker“, und „Techniker“ habe er den Betrieb ermöglicht und mit neuen Versionen von Kino.to dessen Reichweite vergrößert. „Millionen Menschen wurden durch Kino.to an Urheberrechtsverletzungen gewöhnt“, sagte Bluhm. Der Kaufmann und Chef sei allerdings Dirk B. gewesen. Der Prozess gegen B. wird bald vor dem Landgericht beginnen.

„Hier geht es um die Freiheit im Internet. Die Freiheit, vor Straftätern bewahrt zu werden“, sagte Bluhm. Die Betreiber von Kino.to hätten Hehlerware vertrieben und die Nutzer in Abofallen und Abzockfallen gelockt.

Strafmildernd, sagte der Staatsanwalt, wirke sich das umfangreiche Geständnis des Angeklagten und dessen Kooperation aus. Außerdem habe ihn die Haft gesundheitlich stark mitgenommen. Das sei zu berücksichtigen. P., der bei seinem Geständnis Ende März stark zitterte, hatte angegeben, er nehme Psychopharmaka. Im Gefängnis werde er psychologisch betreut.

Die Nebenklage, der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), Matthias Leonardy, betonte Größe, Bekanntheit und „Allgegenwärtigkeit“ des Portals. „Es gab niemanden, der es nicht kannte“, sagte er. „Wäre Kino.to etwas Legales gewesen, wäre es so etwas wie Google oder Facebook gewesen.“ Er wolle es nicht einen „Trendsetter“ nennen, aber es sei vergleichbar mit der Coca Cola bei den Getränken. Den Angeklagten nannte er einen „Tastaturtäter“.

Die GVU hatte die Leipziger Verfahren erst ermöglicht, indem sie Beteiligten aus dem Kino.to-Netzwerk eigenen Angaben zufolge einen niedrigen sechsstelligen Betrag als Prämie gezahlt hatte, damit diese die Ermittler unterstützten und ihre Kollegen verrieten.

„Des Teufels General“

„Er war ein Werkzeug“, sagte P.s Anwalt Hubert Schmid in seinem Plädoyer über Bastian P. „Des Teufels General“ gewissermaßen, aber der Chef sei Dirk B. gewesen. Schmid verwies außerdem auf einen früheren Prozess gegen Dirk B., in dem er für das Betreiben des Portals Saugstube zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.

Bastian P. hatte für das Portal programmiert, aber die Ermittler interessierten sich damals nicht für ihn, sagte Schmid: „Es ist überhaupt nicht gegen ihn ermittelt worden. Der Angeklagte blieb außen vor. Da hat sich bei ihm die Auffassung verfestigt, dass das ja alles gar nicht strafbar sein kann, was er da macht.“

P. habe die technischen Voraussetzungen für Kino.to geschaffen. Aber belange man Herrn Kalaschnikow dafür, dass jemand erschossen werde? „Er ist ein Technikverrückter. Das ist sicher anders zu bewerten, als diejenigen, die das richtige Geld mit dieser Seite verdient haben. In erster Linie hat ihn wohl die technische Herausforderung gereizt“, sagte Schmid.

Der 29 Jahre alte Bastian P. entschuldigte sich bei allen Filmschaffenden. Er habe bei alledem nicht an die Tontechniker und Schauspieler gedacht.

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