Opposition in China: Haftstrafe für Anwältin

Bürgerrechtlerin wird zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Vor dem Gericht geht die Polizei gegen Demonstranten und anwesende Diplomaten vor.

Zwei Polizisten befragen eine Frau vor dem Volksgericht des Pekinger Bezirks Xicheng. Bild: dpa

PEKING taz | Es kommt nicht häufig vor, dass Diplomaten augenfällig Teil des Geschehens werden. Denn so intensiv sie sich mit den Entwicklungen des jeweiligen Gastgeberlandes beschäftigen - für den diplomatischen Dienst ist es unüblich, sich unmittelbar in die innenpolitischen Belange einzumischen.

Doch am Dienstag kam es in Peking anders. Etwa ein Dutzend Diplomaten, unter anderem aus Deutschland, Österreich, den USA und auch ein EU-Vertreter, standen mit mehreren chinesischen Demonstranten friedlich vor dem Volksgericht des Pekinger Bezirks Xicheng. Als einer von ihnen den Diplomaten eine Petition übergeben wollte, stürzte sich ein Zivilpolizist auf ihn und riss ihm das Blatt aus der Hand. Die Polizei führte ihn und mindestens zehn meist Demonstrantinnen ab. Die Diplomaten protestierten lautstark. Daraufhin schritt die Polizisten auch gegen sie ein. Es kam zu Rangeleien.

Anlass der Proteste war die Verurteilung der in China prominenten Bürgerrechtlerin Ni Yulan. Das Volksgericht hatte die 51-Jährige am Vormittag zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt, ihrem Mann zu zwei Jahren. Ein Gerichtssprecher gab zur Begründung „Unruhestiftung“ an.

Das Ehepaar gehörte zu den Dutzenden von Aktivisten, die vergangenes Jahr im Zuge der sogenannten Jasmin-Proteste verhaftet wurden. Die chinesische Führung hatte befürchtet, die Proteste des Arabischen Frühlings könnten auch auf China übergreifen. Es gab zumindest Aufrufe. Und in Ni und ihrem Ehemann sieht das Regime Schlüsselfiguren.

Die ehemalige Anwältin engagiert sich seit vielen Jahren für die Opfer von Zwangsenteignungen. Sie hatte mehrfach Chinesen verteidigt, die zum Verlassen ihrer Häuser gezwungen worden waren und sich dafür eingesetzt, dass sie zumindest finanziell entschädigt werden. Den Behörden war sie jedoch ein Dorn im Auge. Zwei Mal wurde sie bereits ins Gefängnis gesteckt. Seit 2002 ist sie gehbehindert, nachdem sie von Polizisten beim Abriss eines Hauses eines ihrer Mandanten zusammen geschlagen wurde. Sie hatte die Räumung filmen wollen. Heute kann sie nur an Krücken laufen.

2008 wurde das Paar dann selbst enteignet. Es musste wochenlang in einem Pekinger Park leben, später in einem Hotelzimmer, in dem ihm immer wieder der Strom abgestellt wurde.

Bei der gestrigen Urteilsverkündung erhielt Ni acht Monate länger Haft als ihr 59-jähriger Ehemann, weil sie aus Sicht des Gerichts „betrügerisch“ als Anwältin aufgetreten sein soll, obwohl ihr ihre Lizenz 2002 entzogen wurde.

Die bei der Urteilsverkündung anwesende Tochter Dong Xuan kündigte an, dass ihre Familie das Urteil anfechten werde. Es sei „unfair und illegal“, sagte Nis Anwalt - auch nach chinesischem Recht.

Vertreter der EU-Botschaft in Peking forderten ebenfalls die „sofortige Freilassung“ des Ehepaares. Die Europäische Union zeige sich insgesamt beunruhigt "über die Verschlechterung der Lage für Menschenrechtsverteidiger in China", sagte ein anwesender EU-Diplomat. Er hatte es dieses Mal hautnah selbst miterlebt.

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