Arisierte Villa verkauft

NAZI-ERBE Wie die Lehrergewerkschaft einen Schlussstrich unter ein hässliches Kapitel ihrer jüngsten Geschichte ziehen will – und es nur halb schafft

„Können nicht sicher sagen, dass es kein Zwangsverkauf war“

Klaus Bullan, GEW-Chef

Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat ihre Villa in der Rothenbaumchaussee 19 an die chassidische Organisation Chabad Lubawitsch verkauft. „Wir wollen damit einen Beitrag zur Stärkung jüdischen Lebens hier im Rotherbaum leisten“, schreibt der Hamburger GEW-Chef Klaus Bullan in einer Pressemitteilung – die Lehrergewerkschaft hat ihre Zentrale wenige Häuser weiter im Curiohaus. Der Verkauf erfolgte bereits zum Jahreswechsel, wurde aber erst jetzt bekannt.

Für den „günstigen Kaufpreis von 2,5 Millionen Euro“ habe die „Ro 19“ den Besitzer gewechselt, so Bullan. 400.000 Euro spendet die Gewerkschaft aus dem Erlös an die Jüdische Gemeinde Hamburg. Die hatte selbst Interesse an der Gründerzeit-Villa gehabt, den Kaufpreis aber nicht aufbringen können.

1935 hatte der Nationalsozialistische Lehrerbund das Gebäude von dessen jüdischen Vorbesitzern gekauft – unter Marktwert, für 40.000 Reichsmark. Dennoch steht die GEW Hamburg bis heute auf dem Standpunkt, dass es sich nicht unbedingt um einen Fall von Arisierung handele. Die jüdischen Voreigentümer und ihre Erben hätten sich nicht als Geschädigte betrachtet, sagt Herbert Ankenbrand, Aufsichtsratsvorsitzender der GEW-Vermögenstreuhandgesellschaft. Das zeige sich etwa daran, dass sie in anderen Fällen Anträge auf Wiedergutmachung gestellt hätten, „nicht aber bei der Ro 19“.

Jahrelang hatte die GEW Hamburg über die Frage der Arisierung gestritten. Die GEW-Dissidenten Bernhard Nette und Stefan Romey haben über den Fall sogar ein Buch geschrieben: „Die Lehrergewerkschaft und ihr ‚Arisierungserbe‘: Die GEW, das Geld und die Moral“. Sie vertreten die These, dass es 1935 kaum möglich war, nicht von „Arisierung“ zu sprechen, wenn jüdisches Eigentum von Nazi-Organisationen gekauft wurde. Mit der Machtübernahme der Nazis habe für Juden ein „Verfolgungsdruck“ bestanden.

Der jetzige Marktwert des Hauses liege „sicherlich über dem erzielten Verkaufserlös in Höhe von 2,1 Millionen Euro“, schreiben Nette und Romey in einer Erklärung zum Verkauf an Chabad Lubawitsch. Im Vergleich zum Ankaufswert von 40.000 Reichsmark sei jedoch ein „außerordentlicher Gewinnsprung“ zu verzeichnen, allein die Mieteinnahmen für die GEW beliefen sich auf umgerechnet mindestens sechs Millionen Euro.

GEW-Chef Bullan ringt sich in seiner Presseerklärung immerhin zu der Formulierung durch, man könne „natürlich nicht mit Sicherheit sagen, dass es kein Zwangsverkauf war“. Von „Arisierung“ ist wohlweislich nicht die Rede.  WIE