Doris Schröder-Köpf geht in die Politik: Die Frau von jemandem

Doris Schröder-Köpf, Frau des Exkanzlers, will für den niedersächsischen Landtag kandidieren. Am Mittwoch entscheidet die SPD-Basis darüber.

Die Nachwuchspolitikerin Doris Schröder-Köpf stellt sich der Parteibasis vor. Bild: dapd

HANNOVER taz | Doris Schröder-Köpfs politische Karriere hängt an 40 Delegierten aus fünf Ortsvereinen zwischen Hannover Südstadt-Bult, Oststadt-Zoo und Kirchrode-Bemerode-Wülferode, kurz KiBeWü. Das hört sich etwas kleinteilig an für die Frau eines Kanzlers, der ins soziale Gefüge Deutschlands eingriff und die Bundeswehr nach Afghanistan schickte. Aber so ist die Demokratie, wenn man ins Parlament will, und das möchte Schröder-Köpf.

Am Mittwoch entscheiden die Delegierten im Wahlkreis Hannover-Döhren, ob sie Direktkandidatin für die Landtagswahl im nächsten Januar wird. Und damit Sigrid Leuschner aussticht, seit 18 Jahren Landtagsabgeordnete.

In der Theorie müsste der Wahlkreis am Mittwoch knapp an Leuschner gehen: 21 Delegiertenstimmen für sie, 19 für Schröder-Köpf. Das ist das Ergebnis von fünf Vorwahlen, denen sich die beiden in den Ortsvereinen gestellt haben. In der Praxis allerdings hat Schröder-Köpf gute Chancen. Dem Votum der Basis zu folgen, ist zwar SPD-Tradition, verpflichtet sind die Delegierten dazu aber nicht. So mehren sich die Ankündigungen einzelner Delegierter, sich am Mittwoch nicht an ihre Ortsvereine zu halten, sondern für die Frau des Exkanzlers zu stimmen.

Der Hillary-Effekt

Von oben „gepusht“ werde die Kandidatur, ist aus dem Wahlkreis zu hören, von Versuchen, die Delegierten umzudrehen, um Mehrheiten für Schröder-Köpf zu schaffen, die Rede. Die niedersächsische Parteispitze will sich dazu nicht offiziell äußern. Spitzenkandidat und Landesparteichef Stephan Weil, Oberbürgermeister in Hannover, zeigt sich „erfreut“ über Schröder-Köpfs Bewerbung, betont aber: „Ich mische mich da nicht ein.“ Und auch Schröder-Köpf gibt sich zu ihrer Kandidatur diskret. Eine Fragenliste der sonntaz lässt sie sich zuschicken, beantworten will sie sie dann allerdings nicht.

Der Termin: Am Mittwoch stimmen 40 SPD-Delegierte ab, wer bei der Niedersachsen-Wahl im Januar 2013 im Wahlkreis Hannover-Döhren kandidiert. 2008 gewann der CDU-Bewerber das Mandat.

Bewerberin 1: Sigrid Leuschner, 1951 geboren in Hannover, seit 1994 im Landtag, zuletzt per Landesliste. Früher Gewerkschaftssekretärin, Sprecherin ihrer Fraktion für die Verwaltungsreform. Münzsammlerin (wie Helmut Kohl).

Bewerberin 2: Doris Schröder-Köpf, geboren 1963 in Neuburg an der Donau, Bayern. Demonstrantin gegen die Atomanlage Wackersdorf. Von 1987 an Bild-Korrespondentin in Bonn (Kohls Anfangsjahre), dann Focus, 1997 heiratete sie Gerhard Schröder, damals niedersächsischer Ministerpräsident.

Das Kalkül der Parteistrategen ist klar: Die Bundesspitze propagiert die Öffnung der Partei, in Niedersachsen hofft man, die prominente Seiteneinsteigerin könnte dem Herausforderer von CDU-Ministerpräsident David McAllister fehlenden Glanz verleihen.

Seit Schröder-Köpf ihre Ambitionen im Januar kund getan hat, ist die Aufmerksamkeit für die Niedersachsen-SPD so groß wie lange nicht mehr. Die Lokalpresse feiert sie bereits als „die Kandidatin mit dem Hillary-Effekt“, einigen gilt Schröder-Köpf gar als gesetzt für Weils Schattenkabinett.

Schröder-Köpf gegen Leuschner, das ist Prominenz gegen Bodenständigkeit, ein Glitzern gegen eine tiefe Verwurzelung.

Symbolischer Wert der Kandidatur

Mit der Neuen will man auch bürgerlich geprägte Wählerschichten gewinnen, heißt es – nicht zuletzt im Wahlkreis Hannover-Döhren, der seit fünfzehn Jahren fest in CDU-Hand ist. Hier, in Hannovers besten Wohnlagen mit baumbesäumten Straßen und Gründerzeitvillen wohnen nicht nur Spitzenkandidat Weil und die Schröders selbst, hier hat auch die CDU ihre Parteizentrale. Entsprechend hoch ist der symbolische Wert der Kandidatur.

Die Parteibasis dagegen hat Schröder-Köpfs Bewerbung „aus dem Nichts“ erwischt, wie Ex-Ver.di-Landeschef Wolfgang Denia sagt, einer der lautesten Schröder-Köpf-Kritiker in der SPD. Politisch sei die Frau bis dahin „nicht auffällig“ gewesen. Denia, der bei der Landtagswahl 2008 zum Schattenkabinett der SPD zählte, hält es für „einen beklagenswerten Substanzverlust, wenn in der Partei mittlerweile an einigen Stellen das einzige Kriterium ist, die Frau von jemandem zu sein.“

Von der „Lust, politisch etwas zu machen, die immer da war“, spricht Schröder-Köpf selbst in einem ihrer wenigen Interviews. Zunächst habe sie sich aber um die Familie kümmern wollen: „Ein wichtiges Symbol für andere Frauen, nicht alles gleichzeitig machen zu müssen.“ Und führt 30 Jahre Politik an, beginnend in der Anti-Atomkraft-Bewegung, dann als Journalistin für Focus und Bild. SPD-Mitglied ist Schröder-Köpf seit 1997: Als sie Gerhard Schröder heiratete, trat sie auch seiner Partei bei. Ihren letzten Job bei Antenne Niedersachsen hat sie 1998 aufgegeben, um ihren Mann im Bundestagswahlkampf zu unterstützen.

Der Kohl-Vergleich

Genau das entpuppt sich jetzt als Nachteil. Schröders Agenda 2010, seine Basta-Politik, die Nähe zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin oder zum umstrittenen Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer, ihr Posten im Karstadt-Aufsichtsrat auf Arbeitgeberseite werden ihr angelastet.

Auch ihre Empörung über eine Demo von Postbeamten 2004 in der Nähe ihres Hauses in Hannover, haben Schröder-Köpf viele nie verziehen. Als „ziemlichen Fehlgriff“ strafte sie die Protestaktion gegen Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld damals ab. Und erklärte, das hätte es „bei Helmut Kohl in Oggersheim nicht gegeben“.

Die Folgen der Agenda-Politik seien bis heute zu spüren, sagt sie mittlerweile selbst zum Erbe ihres Mannes, „ich spüre sie auch.“ Ihren Kritikern reicht das nicht: „Ich will sie nicht für die Politik ihres Mannes in Haft nehmen“, sagt etwa Gewerkschafter Denia, „erwarte aber, dass sie eine eigene Position dazu deutlich macht.“ Stimmen die Delegierten am Mittwoch entgegen dem Votum ihrer Ortsvereine für Schröder-Köpf, sieht er vor allem die „düpiert, die sich über Jahre am Infostand den Hintern abgefroren und sich den Unmut über die Agenda 2010 angehört haben“.

Im Urlaub von der Gegenkandidatur erfahren

Ihre Konkurrentin Leuschner ist genau so eine. Mit 18 Jahren SPD-Mitglied, mit 32 Gewerkschaftssekretärin, mit 42 im Landtag. Fünf Ministerpräsidenten hat sie seitdem erlebt. In ihrer Fraktion ist sie Rechtsextremismusexpertin, sie hat einen guten Draht zu Gewerkschaften und Jusos, sie ist jetzt 60. Mitten im Urlaub habe sie von der Gegenkandidatin erfahren, kurz vor der ersten Ortsvereinsabstimmung. „Vorher gab es keine Signale, dass man mich absägen will“, sagt sie.

Für Schröder-Köpf steht es offenbar bereits außer Frage, dass sie die Kandidatur übernehmen wird. Auf www.schroeder-koepf.de präsentiert sie ihre eigene Lesart der Ergebnisse: Statt der Delegiertenstimmen, die die Ortsvereine entsprechend ihrer Größe vergeben, rechnet sie alle abgegebenen Stimmen gegeneinander auf – und liegt vorne. Geht ihre Rechnung am Mittwoch nicht auf, bleibt ihr nur die Bewerbung für einen Listenplatz der Landespartei. Das allerdings halten selbst die Parteistrategen nur für eine theoretische Möglichkeit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.