Kommentar Öffentlicher Dienst: Arbeitgeber springen zu kurz

Die Bürger gönnen den Lehrerinnen, Lebensmittelkontrolleuren und Altenpflegerinnen eine deutliche Lohnerhöhung. Der Tarifkonflikt muss also weitergehen.

Tarifauseinandersetzungen sind Propagandaschlachten, daher lohnt der Blick aufs Detail. Dass die Arbeitgeber für die Beschäftigten in Bund und Kommunen am Montag 3,3 Prozent mehr Lohn boten, klingt erst einmal gut. Doch soll es die Lohnsteigerung nicht auf einen Schlag geben, sondern über zwei Jahre verteilt. Rechnet man alle Komponenten zusammen, bieten die Arbeitgeber unterm Strich gerade mal 1,77 Prozent mehr Lohn.

Für die Arbeitnehmer ist das natürlich eine Provokation: Sie fordern 6,5 Prozent mehr und im Gegenzug wird ihnen de facto eine Gehaltskürzung unterbreitet. Das Angebot gleicht nicht einmal den jährlichen Preisanstieg aus; der liegt bei 2,3 Prozent.

Die Gewerkschaften müssen also gegenhalten: Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist es das Gebot der Stunde, den Binnenmarkt zu stärken. Im öffentlichen Dienst ist, anders als es das Gerede vom „aufgeblähten Sektor“ vermuten lässt, in den letzten Jahren massiv Personal reduziert worden. Die Löhne vieler Angestellter bei Bund und Kommunen hinken denen in der Privatwirtschaft hinterher.

Sicher, viele Kommunen haben nichts zu verteilen. Aber eine Gesellschaft, die in vorauseilendem Gehorsam ihre Ausgaben einer gewollt prekärer werdenden Einnahmesituation anpasst, nimmt sich jeden politischen Gestaltungsanspruch. Mit dem Sachzwangargument wird die Diskussion über eine gerechte Steuer- und Umverteilungspolitik kleingehalten.

Daher muss die Frage umgekehrt lauten: Was sind uns gute Lehrerinnen, Lebensmittelkontrolleure, Altenpfleger wert? Viele Bürger gönnen ihnen eine deutliche Lohnerhöhung. Das zeigen die Sympathien für die Warnstreiks der letzten Woche. Der Tarifkonflikt hat gerade erst begonnen.

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Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften

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