Mehr Demokratie beim Stromnetzausbau: Kabelkonsens per Gesetz

Schnell, aber bitte demokratisch: Neue Stromtrassen sollen künftig mit mehr Bürgerbeteiligung errichtet werden. Für 24 bereits geplante Projekte ist das aber zu spät.

Wege übers Land: Strommasten bei Hofgeismar in Hessen. Bild: dpa

BERLIN taz | Für 24 überregionale Stromtrassen haben Bundestag, Bundesrat und Regierung 2009 den „vordringlichen Bedarf“ politisch beschlossen. Dazu gehört etwa die Strecke zwischen Wahle in Niedersachsen und Mecklar in Hessen, gegen die sich der Verein Bürger pro Erdkabel wehrt.

Dass das sogenannte Energieleitungsgesetz (Enlag) nicht richtig funktionierte, wurde dem verantwortlichen Bundeswirtschaftsministerium allerdings recht bald klar: Viele Projekte hängen, der Protest ist massiv, und teilweise streiten sich selbst die Bundesländer über den Verlauf der Trassen.

So legte man 2011 nach und entwarf im Zusammenhang mit dem Atomausstieg nach Fukushima eine neue Regelung – das „Netzausbaubeschleunigungsgesetz“ für das Übertragungsnetz (Nabeg). Selbst Berufsskeptiker wie Energieexperte Thorben Becker vom BUND erkennen an: „Dieses Gesetz ist ein Fortschritt.“

Den Trassenbau will die Bundesregierung dadurch beschleunigen, dass pro Leitung nur ein bundeseinheitliches Raumordnungsverfahren durchgeführt wird. Früher musste jedes Bundesland, über dessen Terrain die Kabel führten, ein eigenes Planungsverfahren einleiten. An den Ländergrenzen gab es oft Koordinierungsprobleme.

Partizipation an vier Stellen

Parallel dazu haben die Umweltverbände darauf gedrängt, die Beteiligung der Bürger zu erweitern. Die gibt es im neuen Verfahren nun gleich an vier Stellen – früher war Partizipation nur auf zwei Stufen vorgesehen.

Ein ganz wesentlicher Unterschied besteht auch darin, dass in den ersten beiden Schritten des bundesweiten Planungsverfahrens der Bedarf an neuen Stromleitungen in einem öffentlichen Diskussionsprozess erörtert wird. Es geht darum, wo später vermutlich wie viele Kraftwerke welcher Art stehen werden. Dafür sollen auch die Netzbetreiber erstmals genaue Angaben über die bisherige Auslastung ihrer Kabel veröffentlichen.

Außerdem ist zweimal eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung eingebaut worden: Planungsbehörde und Betreiber müssen mehrere Korridore miteinander vergleichen. Das Planungsverfahren für das neue Netz scheint so offen zu sein, dass man es grundsätzlich für eine vernünftige Energiepolitik nutzen kann.

Enger Zeitplan

Aber es gibt auch Argumente, die dieser hoffnungsvollen These widersprechen. Bis Mitte 2012 soll der Netzentwicklungsplan fertig sein, der die Anfangs- und Endpunkte der notwendigen neuen Trassen beschreibt. Weil die Öffentlichkeit von diesem Verfahren bisher kaum Notiz genommen hat, darf man bezweifeln, dass ein halbes Jahr für eine so weitreichende Entscheidung genug ist.

Um eine breite Diskussion zu ermöglichen, müssten Regierung und Netzagentur nicht nur mehr Zeit einräumen, sondern auch mehr Arbeit in die Information der Bürger investieren. Und ein Problem bleibt in jedem Fall: Für Wahle-Mecklar und die anderen 23 Projekte im alten Enlag-Gesetz gilt die bessere Bürgerbeteiligung des Nabeg nicht.

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