Kommentar Praxisgebühr: Populisten unter sich

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr will die Praxisgebühr abschaffen. Schäuble will den Zuschuss für die gesetzlichen Kassen kürzen. Das gleicht einer Kriegserklärung.

Wenn die FDP jetzt Seite an Seite mit der Linkspartei für die Abschaffung der Praxisgebühr kämpft, dann muss es mit populistischen Dingen zugehen. Schon gut, inhaltlich ist die Forderung richtig: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die zehn Euro pro Quartal ihre Lenkungswirkung hin zu weniger Arztbesuchen verfehlt haben.

Und angesichts der Milliardenüberschüsse bei der gesetzlichen Krankenversicherung stellt sich die Frage, mit welchem Recht die Kassen das Geld der Versicherten horten, anstatt es zurückzugeben.

Allein: Um das Wohl der Versicherten geht es hier nur nebenbei. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr kämpft vielmehr um sein politisches Überleben und das seiner FDP. Im Mai wird in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt, die Umfragen sind desaströs für die Liberalen, und das hat Auswirkungen auf die schwarz-gelbe Koalition im Bund.

Die Idee, die Praxisgebühr abzuschaffen, wirkt wie der verzweifelte Versuch, noch ein paar Wählerstimmen zu akquirieren. Doch das ist nicht alles. Bahr weiß: Wenn er nicht hurtig selbst Vorschläge macht, dann wird er die angekündigte Attacke des CDU-Bundesfinanzministers kaum noch abwehren können: Schäuble will den Steuerzuschuss für die gesetzlichen Krankenkassen kürzen. Was der Konsolidierung im Bund dient, ist zugleich eine Kriegserklärung an Bahr mit seinem sehr überschaubaren Etat.

Bleibt die Union. Doch anstatt sich zu positionieren, hat sie Angst. Schafft sie die Praxisgebühr ab, dann fehlen, sobald die Konjunktur einbricht, den Kassen jährlich zwei Milliarden Euro. Geld, das nach geltendem Recht über Kopfpauschalen, pardon, Zusatzbeiträge wieder reingeholt werden müsste. Die aber gelten mittlerweile auch in der Union als extrem gefährlich: Krankenversicherte sind schließlich auch Wähler.

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Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

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