SPENDEN: Anonymer Samariter

In Braunschweig verteilt ein Unbekannter seit Monaten Tausende Euro an soziale Einrichtungen. Über Motive und Herkunft rätselt die Stadt. Nun finden sich Nachahmer

HAMBURG taz | Es ist eine Geschichte wie aus dem Märchenbuch: Da gibt es jemanden in Braunschweig, der Geld an soziale Einrichtungen verschenkt, jedes Mal rund10.000 Euro, die er in Briefkästen und Hauseingängen hinterlegt. Wer der Schenkende ist, weiß niemand, nur einen Hinweis gibt es: Er liest die Braunschweiger Zeitung, denn in vielen Einrichtungen hinterlässt er Artikel aus dem Blatt, um auf den Verwendungszweck des Geldes hinzuweisen. Seit vergangenen November spendete ein Serienwohltäter in Braunschweig 190.000 Euro, das letzte Mal vor anderthalb Wochen, an ein Hospiz.

„Ich war schon im Feierabend, als mich der Anruf erreichte“, sagt Michael Knobel, der Geschäftsführer des Hospiz „Am Hohen Tore“. Am Telefon war eine Praktikantin und sie sei „ganz aus dem Häuschen gewesen vor lauter Freude“. Die Praktikantin wollte eigentlich nur zu den Müllcontainern gehen, doch dann sah sie diesen Umschlag, der weiß unter der Fußmatte hindurchschimmerte. Gemeinsam mit Kolleginnen öffnete sie das Kuvert und fand 10.000 Euro darin und einen Zeitungsartikel, in dem über eine Versammlung der Hospizstiftung berichtet wurde. Wie immer fehlte ein Hinweis auf den Absender.

Auch Hans-Jürgen Kopkow, Pfarrer der St.-Markus-Gemeinde, wurde von dem Wohltäter überrascht. Er wollte abends die Kirche abschließen, als er den Briefumschlag sah. „Er lugte ein paar Zentimeter hinter einem Gesangbuch hervor“, sagt Kropkow. Darin enthalten: 10.000 Euro, Absender – wie immer – unbekannt.

Dass Menschen anonym Geld spendeten, gebe es immer wieder, sagt Michael Strauß. „Eine Aktion in dieser Größenordnung und über einen so langen Zeitraum ist aber eine echte Ausnahme“, so der Sprecher der evangelischen Landeskirche in Braunschweig.

In Braunschweig gibt es mittlerweile ein großes Rätselraten über die Identität des Wohltäters. Vielleicht sei es jemand mit großem Vermögen aber ohne Erben, überlegt Pfarrer Kopkow. Es könnten auch mehrere Menschen sein, die Geld gäben, sagt Armin Kraft. Er ist Botschafter der Aktion „Kinder in Armut“, die 11.500 Euro von dem anonymen Wohltäter geschenkt bekam.

Die Liste derjenigen, die beschenkt wurden, ist lang. Kitas sind dabei, Suppenküchen, Kirchen, die Sternsinger und ein Verein für Opfer von Straftaten. Auch die Familie eines schwerbehinderten Jungen bekam Geld. Der Spender warf es bei der Braunschweiger Zeitung in den Briefkasten. Diese hatte zuvor über den Alltag der Familie berichtet.

Für Journalisten sei die Geschichte einfach toll, sagt Henning Noske, der Lokalchef der Braunschweiger Zeitung. „Als Lokalzeitung schreiben wir über Menschen aus unserer Stadt und plötzlich bewirken wir etwas damit, denn jemand spendet solche Summen.“ Die Zeitung habe damit aber auch eine gewisse Verantwortung. „Schließlich sind wir so ein Teil der Geschichte.“

Für das Hospiz soll von den 10.000 Euro nun ein Schulungsraum für die Mitarbeiter modernisiert werden. Die Eltern des behinderten Jungen wollen mit dem Geld ihr Grundstück aufschütten lassen, damit sie den Rollstuhl besser schieben können. Außerdem wollen sie eine Therapie davon bezahlen, für die die Krankenkasse nicht aufkommen will. Armin Kraft will von dem Geld Familienpatenschaften für arme Kinder finanzieren.

Die Braunschweiger Spendenbereitschaft scheint anzustecken: Am Dienstag wurde aus Helmstedt eine anonyme Spende vermeldet. 3000 Euro fanden Mitarbeiter im Briefkasten der St.-Christophorus-Gemeinde.

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