S-Bahn-Verträge I: (Z - Zv - Za) x 100 : Z

Die Veröffentlichung des Verkehrsvertrags wird begrüßt, aber nur als erster Schritt angesehen. In den Unterlagen gibt es auch die Pünktlichkeitsgradformel

Zugausfälle wie dieser sind ein Fall für die Pünktlichkeitsgradformel, von der im jetzt nach langem Drängen veröffentlichten Verkehrsvertrag zur S-Bahn zu lesen ist. Bild: DPA

156 Seiten, ausgedruckt ein Dreiviertelkilo schwer: Seit Donnerstag ist der sogenannte Verkehrsvertrag im Internet einzusehen, die Grundlage des seit längerem maladen S-Bahn-Verkehrs in Berlin und Brandenburg. Verkehrssenator Michael Müller (SPD) hatte tags zuvor angekündigt, die Unterlagen veröffentlichen zu lassen, nach öffentlichem Druck und Gesprächen mit den Vertragspartnern, der S-Bahn GmbH und dem Land Brandenburg – und zuletzt auch auf Drängen seiner eigenen Fraktion. Bei Oppositionsparteien wie bei den Volksbegehren war die Reaktion: Das kann nur der erste Schritt sein.

Seit langem hatten die Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet unsere S-Bahn“, Grüne und andere darum gerungen, den sogenannten Verkehrsvertrag öffentlich zu machen. Der Senat hatte noch vor drei Wochen das Volksbegehren unter anderem deshalb als unzulässig zurückgewiesen, weil man die Verträge nicht ohne Zustimmung der Vertragspartner veröffentlichen könne. Den Text des Begehrens reichte der Senat beim Landesverfassungsgericht zur Prüfung ein.

Nachlässig erarbeitet

Der entsprechende 14-seitige Antrag des Senats erreichte die Initiative nach eigenen Angaben am Donnerstag, kurz nach Veröffentlichung des Vertrags. „Damit hat sich gut ein Drittel der Klage schon erledigt, denn 4 von diesen 14 Seiten beziehen sich auf die Forderung nach Offenlegung“, sagte der Sprecher der Initiative, Rouzbeh Taheri, der taz. „Man weiß nun mehr über die Beziehungen zwischen den Vertragspartnern.“ Der Vertrag ist aus seiner Sicht „sehr nachlässig“ erarbeitet, die meisten Regelungen gingen zu Lasten des Landes Berlin – „bei einer privaten Firma würde man den Geschäftsführer feuern, der so etwas unterschrieben hat“.

Für den verkehrspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, Stefan Gelbhaar, helfen die jetzt offengelegten Verträge dabei, „die Historie des S-Bahn-Chaos besser bewerten zu können“. Für die Zukunft aber wäre es bedeutsam, wenn aktuelle Gutachten und Stellungnahmen zur Frage eines kommunalen Fuhrparks veröffentlicht würden.

Die Verwaltung von Verkehrssenator Müller denkt daran, selbst Wagen anzuschaffen und von anderen betreiben zu lassen. Das soll das Land von der Deutschen Bahn unabhängig machen. Sie verfügt bislang als einziges Unternehmen über Wagen der nur in Berlin verwendeten Bauart – deshalb kann selbst bei Fehlleistungen wie in den vergangenen Jahren nicht kurzfristig ein anderes Unternehmen den Betrieb übernehmen. „Da hat die Senatsverwaltung garantiert schon etwas untersuchen lassen, und diese Unterlagen müssen öffentlich zugänglich gemacht werden“, forderte Gelbhaar.

Auch die Piratenfraktion kritisierte bei aller Freude über die Veröffentlichung, dass noch Unterlagen fehlen würden, etwa Unterverträge zwischen S-Bahn GmbH und Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. Ihr Sprecher für den öffentlichen Nahverkehr, Gerwald Claus-Brunner, resümierte daher unisono mit den Grünen und Initiativen-Sprecher Taheri: „Die Veröffentlichung ist nur ein erster Schritt.“

Auch die Linksfraktion sprach von einem ersten Erfolg des Volksbegehrens. Ihr verkehrspolitischer Sprecher Harald Wolf sah den Schwerpunkt weniger in gänzlich neuen Erkenntnissen. „Erst mal ist es grundsätzlich sinnvoll, Transparenz herzustellen“, sagte Wolf, der in seiner früheren Rolle als Wirtschaftssenator selbst mit der Forderung nach einer Veröffentlichung von Verträgen – in seinem Fall der Wasserverträge – umgehen musste. „Für die Kundigen ist das alles nicht furchtbar neu, aber so kann nun eine breite Öffentlichkeit in die Verträge hineinschauen“, sagte er.

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