Hilfe für Schlecker-Verkäuferinnen: „Jetzt zittern alle“

Gewerkschaft und Opposition fordern Unterstützung für die 12.000 Beschäftigten, die bei Schlecker ihren Arbeitsplatz verlieren. Nötig sei eine Transfergesellschaft, heißt es.

Fehlende Buchstaben sind beim insolventen Drogeriekonzern Schlecker gerade das geringste Problem: Was wird aus den MitarbeiterInnen? Bild: dpa

BERLIN taz | Einen Tag nach der Ankündigung von Massenentlassungen bei der Drogeriekette Schlecker ruft die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di nach staatlichen Hilfen. „Das ist ja eine Insolvenz in bisher nicht da gewesener Dimension“, sagte Gewerkschaftschef Frank Bsirske am Donnerstag. Betroffen seien Frauen im untersten Einkommensbereich.

Dringend erforderlich sei eine Transfergesellschaft für die Qualifikation und Vermittlung der Betroffenen. Tausenden Frauen müsse geholfen werden, sich eine berufliche Perspektive zu erhalten. Der Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hatte am Mittwoch angekündigt, dass etwa 12.000 der insgesamt 25.000 Beschäftigten bei Schlecker in Deutschland entlassen werden sollen; von den derzeit 5.400 Filialen sollen 3.000 übrig bleiben.

Die größte Drogeriekette Deutschlands, die wegen ihres rüden Umgangs mit den Beschäftigten in die Schlagzeilen geraten war, hat über Jahre Verluste gemacht. Im Januar meldete die von Anton Schlecker gegründete Firma aus dem schwäbischen Ehingen Insolvenz an. Geiwitz verteidigte am Donnerstag die radikalen Pläne. Nur so könne Schlecker konkurrenzfähig werden. „Wir müssen Verluste beseitigen.“ Kein Unternehmen könne bestehen, wenn es auf Dauer Verluste schreibe. „Wir glauben, dass Schlecker eine Zukunft hat.“

Die neue Strategie von Schlecker fußt auf vier Säulen: Kostenreduzierungen, etwa durch Streichung von Logistikzentren; ein neues Sortiment mit günstigeren Preisen; Umbau der Filialen, die geräumiger und freundlicher werden sollen; eine neue Unternehmenskultur, die einen besseren Umgang mit den Mitarbeitern, die nicht entlassen werden, bringen soll. Auch nach der Schließung von 2.400 Filialen will Schlecker noch mehr Geschäfte betreiben als die großen Konkurrenten wie Rossmann und dm zusammen.

Keiner weiß wer gehen muss

„Die Stimmung in den Filialen ist bescheiden“, sagte eine Berliner Schlecker-Betriebsrätin der taz. „Jetzt zittern alle.“ Denn bislang wisse man nur, wie viele Filialen und Arbeitsplätze wegfallen sollen – „aber nicht, welche“. Diese Informationen werde es in den nächsten ein bis zwei Wochen geben. „Das wird Schwerstarbeit für die Betriebsräte.“

Verantwortlich für die Situation seien Firmenleitung und Besitzer. „Wir haben jahrelang für die Geld gescheffelt und kriegen jetzt einen Tritt in den Arsch.“ Außerdem habe die Leitung nie auf die Kolleginnen vor Ort gehört – dann hätte man schon früher das Ruder herumreißen können. „Warum hat man immer neue Filialen eröffnet, statt die zu stärken, die da waren?“

Die Linkspartei kritisierte die Radikalkur des Insolvenzverwalters. „Schlecker braucht ein Zukunftskonzept, das nicht auf Kahlschlag setzt“, sagte die Linken-Arbeitsmarktexpertin Sabine Zimmermann. Schlecker könne möglicherweise zu einem modernen Nahversorger mit starker Belegschaftsbeteiligung ausgebaut werden. „Dafür kann es dann auch staatliche Hilfen geben.“ Bei den Banken sei die Regierung auch nicht knauserig.

Auch die Grünen fordern staatliche Hilfen – aber für die Umschulung der Entlassenen. „Die Betroffenen darf man nicht im Regen stehen lassen“, sagte die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer. Notwendig seien Investitionen in ihre Qualifizierung, damit sie neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen, auch über den Einzelhandel hinaus. Dafür brauche es eine Transfergesellschaft.

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