Zwei Frauen arbeiten zusammen: "In die Moschee wollten alle"

Mit dem Friedenspreis der Villa Ichon werden Halime Cengiz und Jutta Konowalczyk-Schlüter für ihren interkulturellen Dialog in Gröpelingen geehrt

Muslimisch-christlicher Dialog im Konfirmanden-Raum: Halime Cengiz und Jutta Konowalczyk-Schlüter Bild: jpb

taz: Frau Cengiz, Frau Konowalczyk-Schlüter, Ihnen wird heute der Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon verliehen. Sind Sie enttäuscht darüber?

Halime Cengiz: Warum das denn?

Dass Sie für ihre Integrations-Arbeit ausgezeichnet werden, heißt ja auch, dass dies immer noch nicht selbstverständlich ist.

45, ist Frauenvorsitzende der Ditib-Mevlana-Moschee und des Ditib-Landesverbandes und sitzt für die SPD im Gröpelinger Beirat. Sie hat drei Kinder und ist verheiratet.

49, ist Pastorin der Ev. Gemeinde Gröpelingen. Sie hat drei Kinder und ist geschieden. Mit Halime Cengiz erhält sie 5.000 Euro Preisgeld.

Cengiz: Es sollte selbstverständlich sein, dass man aufeinander zu geht, ja. Andererseits freuen wir uns, dass die Arbeit bekannt wird. Weil es sonst immer im Stadtteil Gröpelingen bleibt.

Jutta Konowalczyk-Schlüter: Ich bin eher glücklich, dass schon so viel Bewusstsein entstanden ist. Ich habe gedacht, dass es eine Generation braucht. Von daher war auch meine Erwartung nicht so, dass sich dieses heiße Eisen so schnell erledigt hat.

Was meinen Sie mit ’heißem Eisen‘?

Cengiz: Etwa die Frage, ob der Islam gleichgestellt ist mit dem Christentum…

Konowalczyk-Schlüter: …oder das Thema Staatsvertrag oder ob wir ein Einwanderungsland sind. Die Diskussion gab es vor zehn Jahren noch nicht. Die Angst vor dem Fremden ist von beiden Seiten sehr groß gewesen.

Und in Gröpelingen brauchten Sie auch Ihre Zeit?

Cengiz: Das braucht man doch in jeder Beziehung, wenn man auf Fremde trifft. Natürlich gibt es noch Vorurteile. Und Rückschritte, etwa wenn sich jemand in die Luft sprengt. Dann werden wir Muslime als potenzielle Täter gesehen. Dagegen musste man ansteuern.

Wie sieht ihre Arbeit genau aus?

Konowalczyk-Schlüter: Wir treffen uns zu interreligiösen Gesprächen, machen einen Friedensgang und haben das Erzählcafé für Frauen, abwechselnd in der Moschee und im evangelischen Gemeindehaus. Etwas ganz besonderes ist die interreligiöse Feier zu Beginn des Gröpelinger Sommers. Dass die Religionsgemeinschaften ein Sommerfest gemeinsam eröffnen, war vor zehn Jahren einmalig in Deutschland.

Ist das in Gröpelingen einfacher?

Konowalczyk-Schlüter: In Schwachhausen ist es schwieriger, weil es nicht so viele Muslime gibt. Hier gehen die Kinder ohnehin zusammen zur Schule.

Frau Cengiz, Sie arbeiten ehrenamtlich, Frau Konowalczyk-Schlüter, Sie werden als Pastorin für die Arbeit bezahlt. Ein großer Unterschied.

Konowalczyk-Schlüter: Vom Geldbeutel her schon…

Cengiz: …aber wir begegnen uns auf Augenhöhe.

Konowalczyk-Schlüter: Ich muss meine Kinder ernähren und Du hast Deinen Mann.

Cengiz: Einer muss ja verdienen – und ich gebe das Geld aus…

Was machen eigentlich die Gröpelinger Männer?

Konowalczyk-Schlüter: Die haben sich einmal mit den Männern vom türkischen Fußballverein Vatan-Spor getroffen, um zu grillen. Das war’s. So fruchtbar kreativ sind sie nicht. Wie ist das bei Euch?

Cengiz: In meiner Gemeinde sind viele Männer berufstätig und haben wenig Zeit. Die Rentner wolle eher ihre Ruhe. Bei mir liegt es vielleicht an meinem Vater. Er kam 1965 nach Bremen und hat sich immer engagiert. Nicht nur in der Moschee, er war auch in der deutschen Geschichte der erste Türke in einem Betriebsrat. Das hat mich geprägt.

Und Ihre Gemeinden stehen voll hinter Ihnen?

Konowalczyk-Schlüter: Am Anfang gab es Skepsis. Aber der Bremer Integrationspreis, den wir 2006 bekamen, hat uns da auch geholfen. Mittlerweile stehen die meisten hinter uns.

Cengiz: Mich hat mal ein Herr aus der Gemeinde gefragt: „Wieso schleppst Du uns in die Kirche?“ Nach zwei Jahren hat sich bei mir bedankt. Er erzählte, dass ihn jetzt auf der Straße sogar ältere Frauen grüßen, die ihn vorher nicht angesehen hätten.

Konowalczyk-Schlüter: Es gibt natürlich auch viele ehemalige Arbeiter, die überhaupt keiner Religionsgemeinschaft angehören oder ganz ausgetreten sind.

Cengiz: Aber die kommen trotzdem zur interreligiösen Feier! Generell war es eher schwierig, evangelische Menschen in die katholische Kirche zu bekomme und umgekehrt. Aber in die Moschee wollten alle.

Wie kommt’s?

Konowalczyk-Schlüter: Das war auch ein bisschen Sightseeing. Eine Moschee ist immer interessant.

Sparen Sie auch Themen aus?

Konowalczyk-Schlüter: Größtes Streitthema wäre sicherlich Jesus. Bei uns ist er Gottes Sohn, im Koran ein Prophet. Darüber haben wir erst zu unserem zehnjährigen Jubiläum 2011 gesprochen.

Sie diskutieren nur theologisch?

Cengiz: Ja, gesellschaftspolitische Themen werden eher am Rande besprochen. Über das Kopftuch haben wir in den ersten zwei Jahren geredet, darüber sprechen wir nun auch nicht mehr.

Konowalczyk-Schlüter: Im Erzählcafé geht es um Frauenthemen, etwa um häusliche Gewalt, die alle betrifft.

Cengiz: Da wird ja oft gesagt, muslimische Frauen würden es eher ertragen, wegen ihrer Religion – immer dieses Vorurteil, dabei wird gegen Frauen doch allgemein Gewalt ausgeübt.

In Frauenhäusern hat jede zweite Frau einen Migrationshintergrund.

Cengiz: Das darf man nicht der Religion zuschreiben. Es ist eher ein traditionelles, kulturelles Problem. Ebenso bei Zwangsehen: nach islamischem Recht muss die Frau entscheiden, wen sie heiratet. Was in dem Buch steht und was die Menschen daraus machen, ist immer zweierlei, aber das Gleiche gilt auch für die Bibel.

Was ist eigentlich mit den Widerständen gegen einen Staatsvertrag mit den Muslimen, die aus der Evangelischen Kirche kommen?

Konowalczyk-Schlüter: Frau Motschmann ist nicht die Bremische Evangelische Kirche. Sie spricht für die CDU.

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