Kommentar Völkermord: Haltlose Improvisation in Paris

Die französischen Gesetzgeber wollten den armenisch-stämmigen Wählern entgegenkommen. Stattdessen haben sie sich ein Eigentor geschossen.

Leichtfertig haben die französischen Parlamentarier ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe stellen sollte. Prompt hat das Verfassungsgericht den Entwurf jetzt kassiert.

Zwar habe der Gesetzgeber durchaus das Recht, gegebenenfalls die Meinungsäußerung einzuschränken, doch in diesem konkreten Fall sei dies unverhältnismäßig, sagen die Richter.

Die französischen Gesetzgeber wollten den im Präsidentschaftswahlkampf von allen Parteien umworbenen armenisch-stämmigen Wählern entgegenkommen. Stattdessen haben sie sich ein Eigentor geschossen, über das der türkische Premierminister Erdogan mitsamt allen Nationalisten nur jubeln kann.

Und die Armenier in Frankreich, die dieses Gesetz unbedingt wollten und dafür sehr zum Ärger der Türken in Paris auf die Straße gingen, sie stehen nun als Verlierer da. Sie teilen dieses Los mit ihren Landsleuten, aber auch allen Demokraten in der Türkei, die sich vergeblich für eine weniger ideologische Herangehensweise zur tragischen Geschichte von 1915/16 eingesetzt hatten.

Leider haben sich die Verfassungsrichter mit ihrem Urteil nicht zur Frage geäußert, ob man den von Frankreich offiziell anerkannten Genozid straflos leugnen oder in herabsetzender Weise verharmlosen darf.

Das könnte unschöne Folgen haben. Warum, wird es unweigerlich aus Neonazi-Kreisen heißen, ist es dann weiterhin verboten, den Holocaust zu leugnen, nicht aber den Völkermord im Osmanischen Reich oder in Ruanda? Dazu muss nun dringend eine Klärung nachgereicht werden.

Das Pariser Parlament hat den Streit begonnen, es muss ihn nun auch zu einem befriedigenden Ende bringen. Das Thema ist zu wichtig, als dass man sich einfach mit dem Veto gegen ein mal eben improvisiertes Gesetz abfinden kann.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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