Tristesse des VfL Wolfsburg : Sowas hat man lange nicht gesehen

Nach der Heimniederlage gegen Hoffenheim ist die Stimmung beim VfL Wolfsburg auf einem vorläufigen Tiefpunkt. Erstmals wird sogar Felix Magath ausgepfiffen.

Bedröppelte Wölfe: Sebastian Polter und Marco Russ. Bild: dpa

WOLFSBURG taz | Das hat es in der ersten Regierungszeit von Felix Magath auch schon gegeben, gegeben, dass die Nordkurve in der VW-Arena "Oh, wie ist das schön" sang. Im Meisterjahr. Aus Verzückung. Beim 1:2 gegen 1899 Hoffenheim sangen es die guten Wolfsburger endlich wieder. Es war kein Glück und auch kein Hohn, sondern pure Verzweiflung über eine Darbietung, wie man sie trotz der andauernden Tristesse kaum einmal gesehen hat.

"Unser schlechtestes Spiel in dieser Saison", urteilt Magath. Man kann ihm da nicht widersprechen. Insofern ist es menschlich verständlich, dass die Leute "Deutscher Meister VfL" sangen und damit offenbar in einer mentalen Zeitmaschine zurück ins Jahr 2009 flüchteten, als der VfL einen atemberaubenden Fußball spielte, wie man ihn in Wolfsburg nicht davor und auch nicht mehr danach gesehen hat.

Immerhin: Die Abstiegssorge ist im Gegensatz zum Vorjahr nicht imminent. Erstens hat man sieben Punkte Vorsprung vor dem Relegationssplatz, zweitens gibt es ganz offenbar noch ausreichend schwächere Teams. Aber wenn man zum einen das Stadion leerspielt und zum anderen die Verbliebenen nun auch verliert, wird es kritisch.

Die Leute hätten "das Recht sich kritisch zu äußern, wenn die Leistung nicht stimmt", sagt Magath. "Aber so eine Reaktion während des Spiels hilft der Mannschaft nicht." Damit hat er ganz sicher Recht. Nur: Wann sollen die Leute sich äußern? Wenn sie wieder zuhause sind?

Aus Magaths Sicht hat der erneut auf mehreren Positionen veränderte VfL das Spiel im Grunde durch den frühen Hoffenheimer Konter durch Firmino (2.) verloren. "Wir haben die Unsicherheit, die um 0:1 führte durch das ganze Spiel getragen", sagte er. Zwar kam man sehr glücklich durch einen Foulelfmeter von Helmes zum Ausgleich (69.), doch danach ließ man sich nochmal auskontern – der eingewechselte Sven Schipplock erzielte allein vor Diego Benaglio das 2:1 (85.).

Fehlende Balance, fragile Defensive

Es ist der bestimmende Trends dieser Saison, dass ein Rückstand kaum noch in einen Sieg gedreht werden kann. Das schaffen derzeit nicht mal die Bayern. Für den VfL Wolfsburg ist es fast unmöglich, die dafür nötige Balance herzustellen, angesichts seiner selbst bei Führung fragilen Defensive und seiner eingeschränkten Möglichkeiten, zu Chancen zu kommen.

Diese Möglichkeiten wurden sichtbar nicht erhöht, indem Magath auf seinen einzigen Topstürmer verzichtete. Mario Mandzukic' Trainingsleistungen unter der Woche seien "nicht gut genug" gewesen, sagte Magath. Sodass er den lange ignorierten Patrick Helmes in die Spitze stellte und Mandzukic sogar ganz aus dem Kader strich. Offenbar ist er seit längerem nicht mehr zufrieden mit dem Kroaten und greift nun auch in diesem Fall zu dem von ihm gern benutzten Motivationsmittel der kalten Bestrafung und Degradierung.

Selbiges hat er ja mit dem früheren Nationalspieler Helmes auch gemacht. Diesmal, sagte Magath, sei er mit ihm "zufrieden" gewesen. Aber man kann auch argumentieren, dass Helmes abgesehen von Einsatzwillen de facto nichts Positives beizutragen hatte – was auch nach seinem Saisonverlauf nicht verwundern kann. Anfangs des zweiten Hälfte verstolperte er fünf relativ einfache Bälle in Folge.

"Ich habe viel mitgemacht in diesem Jahr", sagt Helmes. "Das ist nicht einfach im Kopf". Es grenzt an ein Fußballwunder, dass Helmes die mentale Stärke hatte, den Strafstoß zu verwandeln. Da habe man "seine Stärke gesehen", sagte Magath. Nämlich sein Selbstvertrauen. Ob das ein Lob war, wer kann es sagen?

Was 1899 Hoffenheim angeht, so handelt es sich auch um ein Team, das sich gerade sucht. Es war der erste Sieg für den neuen Trainer Markus Babbel und das erste Mal, dass seine Strategie eines laufintensiven Konterfußballs aufging. Mit Schipplock wechselte er beim Stand von 1:1 den schnellen Konterstürmer ein, der dann tatsächlich dem nun etwas offensiver orientierten VfL davonrannte und den Garaus machte.

Magath indes wechselte Dejagah aus – und nicht Helmes. Worauf ein wütendes Pfeifkonzert entbrannte. Es ist das erste Mal gewesen, dass sich der Unmut in Wolfsburg so heftig und so direkt gegen Felix Magath richtet.

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