Kommentar Umgang mit Geschichte: Ein Mahnmal aus Marmor

Reicht das Anbringen einer mehr oder weniger dezenten Plakette aus, um die Smidt-Statue tatsächlich als Stachel im bürgerlichen Werte-Bewusstsein zu verankern?

Bürgermeister Smidt kommt nicht in den Keller: Nicht nur, weil es schade wäre um den schönen Marmor, aus dem die Statue des Bremerhaven-Gründers und Judenhassers im Bremer Rathaus gehauen ist. Es wäre auch das falsche Signal: Wer Smidt verschwinden lässt, entledigt sich eines prominenten Beispiels für heftigen Antisemitismus im bürgerlichen Gewand - also für tiefe Inhumanität aus der Mitte der Gesellschaft.

Freilich stellt sich die Frage, wie aus einem Marmordenkmal ein Mahnmal werden kann: Reicht das Anbringen einer mehr oder weniger dezenten Plakette aus, um die Smidt-Statue tatsächlich als Stachel im bürgerlichen Werte-Bewusstsein zu verankern?

Sehr viel deutlicher ist, was eine etwas weiter südlich gelegene Stadtrepublik im Umgang mit als problematisch erkannten Stadtoberhäuptern tut: In der Porträtgalerie des venezianischen Dogenpalasts bekommt schwarze Farbe, wessen Ehrung relativiert werden muss - unübersehbar.

Für eine Schule oder Kirche bedarf es allerdings mehr als nur Farbe: eines anderen Taufpaten. Aber muss, wer Smidt sagt, nicht auch an Carstens denken? Oder darf, wer von Luthers Anti-Judaismus spricht, vor Goethes unrühmlichen Auslassungen Halt machen?

Doch die "Wo kämen wir denn da hin?!"-Frage führt ins Leere: Inhumanes Denken nivelliert sich nicht gegenseitig.

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2001 bis 2016 Kulturredakteur der taz mit Sitz in Bremen

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