S-Bahn-Verträge: Senat jetzt offen fürs Offenlegen

Plötzlich teilt auch der Senat die Forderung des Volksbegehrens, den S-Bahn-Vertrag zu veröffentlichen. Eine Fassung steht schon im Netz - allerdings teils geschwärzt.

Einblicke: Berliner S-Bahn Bild: dpa

Die Diskussion über die S-Bahn hat eine überraschende Wendung genommen: Nun teilen auch der Senat und die Regierungsfraktionen SPD und CDU das Anliegen des laufenden Volksbegehrens, den S-Bahn-Vertrag offenzulegen. "Ich habe damit gar kein Problem", sagte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) am Mittwoch im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses. Bisher hatte der Senat den Eindruck erweckt, eine Veröffentlichung abzulehnen. Im Internet war am Mittwochmorgen bereits eine Version des 2003 abgeschlossenen und bis 2017 gültigen Vertrags aufgetaucht. Zentrale Angaben zu Kosten sind darin aber geschwärzt.

Der Senat hatte das Volksbegehren vergangene Woche als unzulässig eingestuft und eine Prüfung des dazugehörenden Gesetzestexts beim Verfassungsgericht beantragt. Neben der Transparentmachung des Vertrags verlangen die Initiatoren des "S-Bahn-Tischs" mehr Personal bei der S-Bahn und wenden sich gegen einen allein profitorientierten Betrieb. Der Senat argumentierte, dass durch das Begehren "in einen laufenden Vertrag per Gesetzesbeschluss eingegriffen werden soll".

Am Dienstagabend aber ließ SPD-Fraktionschef Raed Saleh nun unerwartet eine Pressemitteilung verschicken: Man befürworte "die unverzügliche Offenlegung der S-Bahn-Verkehrsverträge". Im Verkehrsausschuss am Mittwoch schließlich gab Senator Müller zu verstehen, der Senat sei gar nicht gegen eine Veröffentlichung, sondern halte es nur rechtlich für problematisch, diese per Volksbegehren zu erzwingen. Müller kündigte an, mit der Deutschen Bahn über eine Offenlegung zu reden. Gespräche soll es auch mit der brandenburgischen Regierung geben, die ebenfalls Vertragspartner ist. Bei der Prüfung des Volksbegehrens durch das Verfassungsgericht soll es aber bleiben.

Die S-Bahn-Verträge wurden 2003 zwischen Berlin, Brandenburg und der S-Bahn geschlossen. Die im Netz publizierten Dokumente umfassen 101 teils geschwärzte Seiten. Veröffentlicht wurde auch der Änderungsvertrag von 2010.

Die Fakten: Die S-Bahn muss jährlich 32,3 Millionen Zugkilometer "erbringen". Ab einer Unterschreitung von 1,5 Prozent erfolgen Kürzungen der Landesmittel: ursprünglich 5 Prozent der Jahreszuwendungen, der Änderungsvertrag erhöhte auf 16 Prozent. Was die Länder der S-Bahn jährlich zahlen, ist komplett geschwärzt.

"Erhöhen sich die Produktionskosten" der S-Bahn durch "verschlechterte Bereitstellung der Trassen" oder "verminderte Fahrgeldeinnahmen", müssen die Länder dies ausgleichen.

Die Fahrzeugflotte der S-Bahn umfasst 720 Viertelzüge. Im "Spitzenbedarf" müssen 562 einsatzfähig sein, ab Eröffnung des Großflughafens Schönefeld 575.

Die S-Bahn "garantiert" einen "Pünktlichkeitsgrad von mindestens 96 % im Monatsdurchschnitt". Bei Unterschreitung können die Länder Gelder streichen - "maximal 4 % des monatlichen Zahlbetrages".

Das Sitzplatzangebot ist "so zu bemessen, dass Fahrgäste im Regelfall nicht länger als 15 Minuten stehen müssen".

"Für die Laufzeit dieses Vertrages ist das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen." Einzig das "Nord-Süd"-Teilnetz hätten die Länder im August 2011 kündigen können, etwa für eine Teilausschreibung. Sie taten es nicht.

Am Rande der Ausschusssitzung stellte sich auch CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici hinter den Vorstoß der SPD-Fraktion zur Offenlegung: "Dem kann ich nur beipflichten." Er teilte außerdem die Forderung des "S-Bahn-Tischs", auch weitere zugehörige Unterlagen und Verabredungen zu veröffentlichen: "In Zeiten breit gewünschter Transparenz ist das der richtige Weg."

Zu der im Internet aufgetauchten Version des Vertrags sagte Senator Müller, er wisse davon noch nichts. Schon vor zwei Jahren aber habe ein ehemaliger Grünen-Abgeordneter über das Informationsfreiheitsgesetz eine Fassung mit geschwärzten Abschnitten erhalten. Laut Rouzbeh Taheri, dem Sprecher des "S-Bahn-Tischs", ist diese Fassung identisch mit jener, die nun im Internet nachzulesen ist.

Mit seiner neuen Offenheit für die Offenlegung ging Müller auch auf Forderungen der Opposition ein. Der Grünen-Abgeordnete Stefan Gelbhaar etwa hielt die Veröffentlichung für überfällig, um sehen zu können, "wie schlampig der Vertrag verhandelt wurde".

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