Neues Kettcar-Album: Du bist nicht allein

Der Mitgefühl-Pop der Hamburger Band Kettcar wird immer kitschiger. Auf dem neuen Album "Zwischen den Runden" gibt's Weltschmerz mit Geigen.

Wohlklang für die Verzagten: Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das Schlagzeug treibt, das Klavier auch und die Geigen spielen eine zuversichtliche Melodie. Und dann diese Szene: Eine Armee aus "trostlosen Helden, verkannten Genies und stolzen Versagern" trifft sich "unten am Strand".

Es ist "der größte Club der Welt", der da zusammen kommt, "nach schlaflosen Nächten, nach letzten Gefechten". Gemeinsam schauen die Enttäuschten aufs Meer - und sehen "Millionen von Rettungsbooten von überall her". Die Geigen jubeln, das Klavier hüpft. Der Song könnte zum Abspann eines Hollywood-Melodrams gehören. Ein Melodram mit Happy End.

Das Stück heißt "Im Club" und stammt vom neuen Album "Zwischen den Runden" der Hamburger Band Kettcar. Erwähnenswert ist das Stück, weil es die Single-Auskopplung des Albums ist. Vor allem aber transportiert der Song so deutlich wie kein anderer die grundlegende Botschaft der Band Kettcar: Du bist nicht allein. Auch wir gehören zu den Verzagten und Gebeutelten und jetzt gibts Nestwärme für alle.

Auf dem neuen Album haben die Hamburger ihren Mitgefühl-Pop perfektioniert, und das liegt an zwei Faktoren: erstens gibt es auf der Textebene die gewohnte Kettcar-Poesie, der Sänger Marcus Wiebusch mit gewohnt gedämpfter Stimme die typische Kettcar-Inbrunst verleiht. Zweitens gibt es musikalisch eine Entwicklung hin zum akustischen Sound, hin zu Klavier, akustischer Gitarre und dezentem Schlagzeug. Bei der Hälfte der Songs kommen zudem Geigen zum Einsatz.

Kettcar testet aus, wie viel Schmalz die Songs vertragen, ehe sie in den Kitsch kippen. Neben den Liebesliedern gibt es auf dem neuen Album ein Stück, das von einer Heimkehr nach einem eineinhalbjährigen Krankenhausaufenthalt erzählt, und ein Stück, in dem es um den Tod eines früheren Freundes geht.

Das ist starker Tobak, hilft aber auf seine Art, bei der Wanderung auf dem schmalen Grat zum Kitsch nicht abzustürzen: Je ernster das Thema, desto glaubwürdiger wird der ironiefreie Pathos der Band. Und dann ist da mit "Schrilles buntes Hamburg" auch ein Song dabei, der politisch wird: Es geht um Stadtmarketing-Fixierung und Gentrifizierung in Hamburg, auf den Punkt gebracht in dem schönen Schüttelreim: "Jetzt zählen nur noch die Devisen, der Geister, die wir riefen."

Prägend für Kettcar aber bleibt die Gefühligkeit im subjektiven Weltschmerz, und man muss der Band zu Gute halten, dass sie sich traut, derart radikal auf das Recht auf Weinerlichkeit zu pochen. Problematisch dabei ist, dass die Kettcar-Musik zwar von Menschen über 40 gemacht ist, aber eher Menschen bis 30 interessieren dürfte. Denn der privatpersönliche Weltschmerz mag vielleicht nie vergehen, aber das Sich-darin-Suhlen wird irgendwann öde.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.