Sammelklage gegen US-Medienkonzern: Aufstand der Ausgebeuteten

Die Generation Praktikum macht Ernst. In den USA klagen unterbezahlte Praktikanten gegen ihren Arbeitgeber und fordern Millionen.

Praktikanten im Angebot: In Amerika klagen die Ausgebeuteten. Bild: photocase / dommy.de

BERLIN taz | In den USA haben Praktikanten den Aufstand gewagt. Sie klagen kollektiv gegen den Medienkonzern Hearst Corporation. Der Vorwurf: Das Unternehmen zahle den Praktikanten keinen Mindestlohn, nicht einmal die geleisteten Überstunden würden bezahlt. Hearst beschäftige Hunderte von unbezahlten Praktikanten und verstoße so gegen verschiedene Arbeitsgesetze, dem sogenannten "Fair Labor Standards Act" und dem "New York Labor Law".

Eine der Klägerinnen, Xuedan Wang aus New York, die 2011 ein Praktikum bei Hearst machte, hat 40 Stunden die Woche gearbeitet. Manchmal sogar 55 Stunden. "Unternehmen klassifizieren Beschäfigte als Praktikanten und vermeiden so, normale Gehälter zu zahlen", sagt Adam T. Klein, Anwalt der Kläger. Der Konzern müsse sich dann nicht an Gesetze zur Arbeitszeit halten und keine Sozialabgaben zahlen, meint Elizabeth Wagoner, eine andere Anwältin.

Auch in Deutschland hat der Gesetzgeber bisher nicht geregelt, wie Praktikanten vergütet werden. Laut Gesetz muss die Bezahlung "angemessen" ausfallen. Auch eine "normale Vergütung" ist denkbar, meist erhalten Praktikanten jedoch nur eine Aufwandsentschädigung. Manche Betrieben zahlen sie in Form von Unterhaltshilfen.

Dabei ersetzen Praktikanten längst Vollzeitkräfte. Laut Fairwork e.V., einem Verein zur Wahrung der Interessen von Hochschulabsolventen, arbeiten vier von fünf Praktikanten wie Vollzeitarbeitskräfte. Wer sich in einem 6-Monats- oder Jahrespraktikum befinde, sei längst in einem "Scheinarbeitsverhältnis".

Ein Praktikant darf kein Ersatz für eine Vollzeitstelle sein. Er soll in erster Linie praktische Kenntnisse und Erfahrungen erwerben. Ist er für Unternehmen nur billige Arbeitskraft, soll er sich dagegen wehren, so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Der DGB empfiehlt außerdem, einen Vertrag mit der Praktikumsstelle zu schließen. Der Vertrag soll unter Anderem Vergütung, Arbeitszeit und Dauer des Praktikums regeln.

Gesetzesvorhaben, die unbezahlte Praktika verbieten sollen, sind bisher gescheitert – auch am Widerstand der Unternehmen. 2008 drohte die Industrie- und Handelskammer (IHK), bei einem solchen Gesetz würden 100.000 Praktikumstellen wegfallen.

Die Initiative "Creative Village" organisierte ein Jahr später einen "Prakti-Streik" – einen Protest gegen "einen Ar­beits­wert mit Summe Null". 200 Praktikanten folgten 2009 dem Aufruf in Berlin und streikten. Eine erfolgreiche Klage der Praktikanten in den USA könnte auch in Deutschland einen neuen Aufstand auslösen.

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