Kommentar US-Militärhaushalt: Feuerkraft statt Reformen

Die Kürzungen im US-Verteidigungsbudget passen zur neuen Strategie. Aber eine wirkliche Reform leiten sie nicht ein.

Zum ersten Mal seit 1998 soll also der US-Verteidigungshaushalt nicht mehr wachsen, sondern leicht sinken. Dabei sind die Zahlen und konkreten Kürzungspläne, die Verteidigungsminister Leon Panetta am Donnerstag in Washington vorstellte, noch nicht sehr drastisch.

Weniger Marine- und Armeesoldaten soll es geben, der superteure F-35 Stealth Fighter soll erst ein bisschen später kommen als ursprünglich gedacht, die Beiträge zur Krankenversicherung für Militärangehörige sollen mittelfristig steigen. All diese Kürzungen betreffen den Basishaushalt des Pentagon, der 2013 von derzeit 531 auf 525 Milliarden US-Dollar sinken soll. Nicht mitgerechnet sind dabei die Kosten des noch laufenden Afghanistankrieges – 2012 etwa geben die USA für Kampfeinsätze weitere 115 Milliarden US-Dollar aus.

Damit bleiben die US-Militärausgaben mit großem Abstand die höchsten der Welt. Die Kürzungen passen zu dem vor Monatsfrist vorgestellten neuen strategischen Konzept – weniger Truppen, mehr Technik, gleichbleibende militärische Überlegenheit. Dennoch kann sich die Regierung Obama auf harte Auseinandersetzungen im Kongress einstellen.

Die republikanische Opposition will an allem kürzen, vor allem an Sozialausgaben, nur zwei Dinge will sie nicht: Mehr Steuern für die Reichen und Kürzungen im Militäretat. Doch auch etliche demokratische Abgeordnete und Senatoren dürften im Wahljahr Schwierigkeiten haben, den Kürzungen zuzustimmen. Denn am Militärhaushalt hängen Jobs, in einigen Regionen der USA sogar sehr viele Jobs. Ein Abgeordneter, der in seinem Wahlkreis wiedergewählt werden will, wird sich gegen jede Kürzung wehren.

Erpressbare Regierung

Die nächsten Monate bis zur Verabschiedung des Militärhaushalts dürften eine Lehrstunde an Doppelzüngigkeit werden, und sie dürften das angeblich große Ziel, das Haushaltsdefizit zu senken, ad absurdum führen. In keinem Bereich ist die Regierung so erpressbar wie im Verteidigungshaushalt, kein Einzeletat ist so anfällig für "earmarks", also sachfremde Ausgaben, die in einem Haushaltsposten verankert werden, wie der Verteidigungshaushalt, den per Veto zu stoppen sich kein Präsident leisten kann.

Und sollte der Konflikt mit dem Iran im gleichen Tempo weiter eskalieren wie in den letzten Wochen, dürften ad-hoc bewilligte Ausgaben die geplanten Kürzungen übersteigen. Auch hier gilt, dass ein Wahljahr in der Regel ungeeignet für vernünftige Entscheidungen ist.

Es existiert zudem durchaus ein Bewusstsein darüber, dass die drückende militärische Überlegenheit das letzte ist, was den USA ihren Status als Supermacht Nummer eins sichert. Wirtschaftlich, technologisch und infrastrukturell, ja selbst bei der Sicherung von Massenwohlstand sind andere Länder dabei, die USA zu überholen.

Die gespaltene US-Politik hat ihre Unfähigkeit, entsprechende Reformen einzuleiten, um diesen Prozess aufzuhalten, mehr als einmal unter Beweis gestellt. Die Feuerkraft ist der Ausgleich. Der Niedergang geht weiter.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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