Kommentar Bakterien in Geflügelfleisch: Aigner verschreibt Hühner-Kosmetik

Statt das Problem des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung anzugehen, macht Agrarministerin Ankündigungen. Verbraucher haben nichts davon.

Ilse Aigner tut wieder das, was sie am liebsten macht: ankündigen. Den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung wolle sie beschränken, erklärt die Bundesagrarministerin nun. Das klingt gut, aber wie so oft bei der CSU-Politikerin - es steckt wenig dahinter.

Dabei ist das Problem eklatant: Die meisten Masthühner in Deutschland bekommen Antibiotika, wie mehrere Studien von Behörden gezeigt haben. Je häufiger diese Medikamente eingesetzt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Keime gegen die Präparate unempfindlich werden. So ist der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung ein Grund, weshalb Resistenzen entstehen. Und jährlich sterben in Europa 25.000 Menschen an Keimen, die sich nicht mit den Medikamenten bekämpfen lassen.

Statt das Problem an der Wurzel zu packen, will Aigner den Ländern nur neue Daten über den Antibiotikaverkauf an Tierärzte liefern. Das ist zwar sinnvoll, um den Landesbehörden Anhaltspunkte für Kontrollen bei notorischen Vielverschreibern unter den Veterinären zu geben. Aber der Vorschlag der Agrarministerin ist nur ein extrem kleiner Schritt.

Eine der wichtigsten Ursachen für den hohen Antibiotikaverbrauch in der Tiermast ist doch, dass zu viele Tiere auf engem Raum zusammenleben. Denn in Massenställen können Keime auch massenhaft zuschlagen und sich in Windeseile verbreiten. An diesen Punkt allerdings wagt sich die Ministerin nicht heran. Bisher jedenfalls hat sie nicht angekündigt, die zulässige Zahl der Tiere pro Quadratmeter Stall auf ein erträgliches Maß zu senken.

Das ist auch kein Wunder. Schließlich ist die Spitze des Agrarministeriums in der Hand der Union. Und die verteidigt regelmäßig die Interessen der Industrie und der Großbetriebe in der Landwirtschaft.

Deshalb kämpft Aigner dagegen, die Agrarsubventionen für die Großen zu beschränken. Deshalb setzt sie sich gegen eine Reform der jährlich EU-weit rund 55 Milliarden Euro Beihilfen ein, von der zum Beispiel Biobauern profitieren würden. Ökolandwirte müssen ihren Tieren schon jetzt mehr Platz gewähren, als das die konventionellen Landwirte tun.

So bleibt Aigner mal wieder bei kosmetischen Maßnahmen, die die Öffentlichkeit ruhigstellen sollen. Die Verbraucher aber haben davon so gut wie nichts.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.