Gesundheitsrisiko Feinstaub: "Orangensaft kann helfen"

Je kleiner, umso gefährlicher, sagt Forscherin Annette Peters. Die Feinstaubpartikel würden Entzündungen auslösen, bestehende Leiden verstärken und im schlimmsten Fall tödlich sein.

Vitamin C soll bei hoher Feinstaubbelastung helfen. Bild: dpa

taz: Frau Peters, warum ist gerade Feinstaub so gefährlich?

Annette Peters: Das liegt daran, dass er direkt in unsere Lungen gelangt, während grobe Partikel in Nase und Rachenraum herausgefiltert werden. In den Lungen lagert sich der Feinstaub ab und wirkt von dort aus auf den ganzen Körper.

Sind die Feinstaubpartikel kleiner als 2,5 Mikrometer, dringen sie bis in die Lungenbläschen und können von dort sogar in das Blut gelangen. Außerdem befördern sie teilweise reaktive Substanzen.

Welche Krankheiten können so entstehen?

Der Feinstaub kann in der Lunge zu lokalen Entzündungen führen und Atemwegserkrankungen hervorrufen. Diese Reaktionen und Partikel, die ins Blut gelangen, können außerdem Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen.

Welche Personengruppen sind besonders gefährdet?

Feinstaub kann sowohl Krankheitsverläufe als auch Veranlagungen von Personen negativ beeinflussen. Deshalb sind besonders Menschen gefährdet, die bereits an einer Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden. Neuere Studien zeigen auch, dass die Gesundheit von Diabetikern beeinflusst wird.

ANNETTE PETERS, 45, ist Direktorin des Instituts Epidemiologie II am Helmholtz-Zentrum in München. Sie forscht insbesondere über die Wirkung von Feinstaub auf die Gesundheit.

Feinstaub kann Fettgewebe aktivieren, so dass das Diabetesrisiko vor allem bei Frauen erhöht werden kann. Kinder wiederum sind deshalb empfindlich, weil sich ihr Immunsystem gerade erst entwickelt und auftretende Schädigungen für ihr restliches Leben erhalten bleiben können.

Welche chemischen Prozesse spielen sich in unserem Körper ab, wenn wir Feinstaub einatmen?

Durch den Feinstaub gelangen Substanzen in unseren Körper, die freie Sauerstoffradikale freisetzen können. Das sind Moleküle, die besonders reaktionsfreudig sind und körpereigene Moleküle schädigen können.

Man spricht in diesem Zusammenhang von oxidativem Stress, wie er zum Beispiel auch von ungesunder Ernährung und Zigarettenrauchen hervorgerufen wird. Das ist einer der Gründe, warum Vitamin C so wichtig ist. Es kann freie Sauerstoffradikale "fangen".

Heißt das, Orangen essen hilft bei hoher Feinstaubbelastung?

Ja, das konnte man sogar mit einem Versuch bei Kindern in Mexiko City nachweisen. Kinder, die morgens einen kleinen Orangensaft getrunken hatten, hatten weniger Auswirkungen in der Lungenfunktion als Kinder, die keinen getrunken hatten.

Lässt sich statistisch nachweisen, dass man am Feinstaub schneller sterben kann?

Ja, an Tagen mit hoher Feinstaubbelastung sterben statistisch gesehen mehr Menschen. Außerdem lässt sich nachweisen, dass die Sterberate bei Personen, die in stärker belasteten Regionen leben, höher ist und sie häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Aber diese Effekte sind klein. Man braucht sehr ausgefeilte statistische Techniken, um sie zu erkennen.

An den tagtäglichen Sterbezahlen von München oder Berlin sieht man das nicht einfach so. Die EU-Gesetze wurden auch deshalb verabschiedet, weil Untersuchungen aus den USA gezeigt hatten, dass Feinstaubbelastung die Gesamtsterblichkeit verändert. Wir sind gerade dabei, mit einem großen europäischen Projekt eine vergleichbare Datenbasis für Europa aufzubauen. Unsere Städte sind ja viel dichter bebaut als die amerikanischen, so dass es in Europa möglicherweise noch stärkere Effekte gibt.

Kann man das Rauchen von Zigaretten mit Feinstaubbelastung vergleichen?

Während ein Raucher zwischen 20 und 200 Milligramm feine Partikel pro Tag einatmet, trägt der Feinstaub nur 200 Nanogramm pro Tag bei, was bedeutet, dass Größenordnungen dazwischen liegen. Aber das Gesundheitsrisiko ist dennoch nicht zu vernachlässigen. Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist beim Raucher zwischen 60 und 100 Prozent erhöht, der Feinstaub erhöht das Risiko immerhin um 10 Prozent.

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