Die Wahrheit: Gitter und Glas

Verdammt zum Dasein als Zerrbild im Zoo.

Am Ende wird der Monsteraffe King Kong einfach erschossen. Bild: taz-Archiv

Tiere gucken gehen, die hinter Eisengittern, Elektrozäunen und Isolierglas zur Schau gestellt werden, hat viel an Reiz verloren. In einer globalisierten und medialisierten Welt wollen immer weniger Menschen exotische Wildtiere sehen, die, eingesperrt und jeder natürlichen Regung beraubt, in Betonbunkern vor sich hin vegetieren. Außer jene, die sich daran erfreuen, dass es anderen noch mieser geht als ihnen selbst. Doch die können sich einen Zoobesuch kaum mehr leisten, der eine Familie mit zwei Kindern schon mal 50 Euro Eintritt kostet. Zuzüglich Bockwurst und Pommes.

Um zahlungskräftiges Publikum zurückzugewinnen, setzen die Zoos seit geraumer Zeit gezielt auf Disneylandisierung ihrer Anlagen: Der Zoo Gelsenkirchen etwa bietet dem Besucher in einer freitragenden Halle den "tropischen Regenwald", samt Orang Utans, die darin gehalten werden; der Zoo Osnabrück baut gerade eine "Tempelruine aus Angkor Wat" nach als Kulisse für eine seiner Primatengruppen.

Um jeden Preis will man den Eindruck von Tiergefängnissen vermeiden, die die Zoos, trotz aller Kaschierungsversuche, schlichtweg sind. Da helfen auch klassische Konzerte vor den Tiergehegen (Hamburg) nichts, ebenso wenig Biergartenmusik (München), Theateraufführungen (Nürnberg) oder kulinarische Events (Leipzig); auch keine Halloweenpartys (Köln), bei denen die Pfleger als Vampire oder Hexen herumlaufen, und erst recht keine Gottesdienste (Bremerhaven), bei denen man die "Schönheit der Geschöpfe Gottes" preist. Mit den Tieren hat das alles nichts zu tun, sie dienen nur als Staffage, wie unlängst etwa bei Akt-Shootings im Zoo Dortmund, bei denen sich ein Nacktmodel vor den Käfigen räkelte.

Dass die Großen Menschenaffen - Schimpansen, Gorillas und Orang Utans - sich genetisch nur minimal vom Menschen unterscheiden, ist mittlerweile ins Allgemeinwissen eingedrungen. Was aber wissen wir wirklich über sie? Schimpansen gelten als geborene Spaßmacher. Selbst im Zoo werden sie als solche erlebt, gleichwohl ihr Dasein, eingesperrt hinter Gittern, alles andere als spaßig ist. Zum Zerrbild aus Zirkus und Zoo kommt jenes, das in Kino- und TV-Produktionen vorgeführt wird. Filmschimpansen sind immer gut drauf, ob nun Cheetah aus den "Tarzan"-Filmen, Judy aus "Daktari" oder "Unser Charly" aus der gleichnamigen Vorabendserie.

Fest verankert im kollektiven Gedächtnis ist auch der "Planet der Affen", jener Science-Fiction-Film von 1968, in dem die Affen die herrschende Spezies sind, die Menschen jagt, versklavt, nach Belieben auch tötet. Die fiktive Affengesellschaft erweist sich als streng hierarchisch strukturierte theokratische Diktatur: Die Orang Utans stellen den herrschenden Klerus, Gorillas das Militär, Schimpansen das Bürgertum. Der zunächst durchaus als gesellschaftskritische Parabel daherkommende Plot mit seiner Umkehr der Machtverhältnisse Mensch-Affe hält diese Linie nicht lange durch. Held ist und bleibt der Mensch - gespielt passenderweise von US-Redneck Charlton Heston -, der sich erfolgreich gegen die Übermacht der Affen durchsetzt. Diese erscheinen als korrupt, bigott, faschistoid - und vor allem: dem menschlichen Helden intellektuell heillos unterlegen.

Und die Gorillas? Auch sie kennt man aus dem Zoo, wo sie hinter Gittern oder Panzerglas gehalten werden. Woraus wir lernen: Gorillas sind gefährlich. Nicht umsonst werden Leibwächter von Unterweltgrößen seit je "Gorillas" genannt - in diametralem Gegensatz zur Friedfertigkeit echter Gorillas. Man kennt sie zudem aus Film und Fernsehen: vorneweg durch "King Kong" aus dem Jahr 1933, den Klassiker schlechthin des Monsterfilmgenres: Ein großer schwarzer Affe entblättert eine blonde weiße Frau, weshalb er letztlich von Flugzeugen aus erschossen wird. Wir lernen: Selbst der Größte aller Gorillas kommt nicht gegen die technische Überlegenheit des Homo sapiens an. Das cineastische Rührstück "Gorillas im Nebel" aus dem Jahr 1988 ändert an diesem Bild nichts, zumal der Spielfilm komplett absäuft in seiner eigenen Sentimentalität.

Von Orang Utans wird ein genauso verzerrtes Bild gezeichnet: In "Planet der Affen" stellen sie die korrupte und machtgeile Priester- und Politikerkaste vor. Selbst in dem harmlosen Disney-Trickfilm "Das Dschungelbuch" ist der Orang Utan hinter der Vormachtstellung im Dschungel her: King Louis, der nicht umsonst den Namen des französischen Sonnenkönigs trägt. Besonders tragisch ist das Bild, das ein Orang Utan in dem Horrorstreifen "Link, der Butler" von 1986 abgeben muss: Er bringt reihenweise Menschen um.

Auch die wiederkehrenden Schutzkampagnen des Europäischen Zoo- und Aquarienverbands EAZA haben mit den Tieren nichts zu tun, sie dienen allenfalls der Aufbesserung des Images, das die Zoos als Tierknäste haben. Sie sollen vorgaukeln, die Zoos dienten dem "Artenschutz", wodurch zum einen das Leid der real eingesperrten Tiere verdeckt wird, die man zu "Botschaftern ihrer Art" hochstilisiert, und zum anderen unter den Teppich gekehrt werden kann, dass gerade die europäischen Zoos es waren, die mit ihren ungezügelten Wildfängen bis heute viele exotische Tierarten an den Rand des Aussterbens brachten.

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