Klage gegen illegales Musikstreaming: Von Raubrittern und Leibeigenen

Der millionenschwere Rechtsstreit zwischen Universal Music und dem Musikstreamingdienst Grooveshark offenbart vor allem eines: Die Hilflosigkeit der Musiker.

Der Musikstreamingdienst Grooveshark agiert wie ein Raubritter, aber ohne Kokosnuss. Bild: imago/united archives

Am 18. November reichte die Universal Music Group, der Welt größter Musikkonzern, bei einem New Yorker Bezirksgericht Klage wegen der Verletzung von Rechten an tausenden Musikstücken gegen die Escape Media Group, Betreiber des Musikstreamingdienstes Grooveshark, ein.

Die Klageschrift referiert auf 10 Seiten die Natur des unterstellten Rechtsbruches: Grooveshark habe seinen Nutzern wissentlich und planvoll illegal Musik zugänglich gemacht. Es wird behauptet, dass leitende Angestellte Titel selber auf die Plattform hochgeladen und auch ihre Untergebenen, unter anderem mit einem Bonussystem, dazu angehalten haben.

Der rund 80-seitige Anhang besteht zu weiten Teilen aus einer Aufzählung von gestreamten Musikstücken, deren Rechte bei Universal liegen, und aus Kopien des internen Mailverkehrs von Esacape Media. Dass der Klageschrift konkrete technische Belege nicht beiliegen, hat keine allzu hohe Bedeutung – bereits im vergangenen Jahr hatte Universal den Streamer mit einer Klage überzogen und dabei Zugang zu entsprechenden Protokollen bekommen, deren Auswertung dem Gericht in einem Prozess wohl vorgelegt werden wird.

Was im dokumentierten Mailverkehr sehr deutlich sichtbar wird, ist das prinzipielle Geschäftsgebaren der Escape Media Group. Aufschlussreich sind hier die Äußerungen von Sina Simantob, einem profilierten Immobilienmakler, Ingenieur und Geldanlagespezialisten, der als Investor zum knallhart kalkulierenden Chairman des ursprünglich studentischen Internet-Startups geworden ist.

Unverblümt legt Simantob in der Korrespondenz dar, dass das Unternehmen durch die Einwerbung möglichst vieler Nutzer und die damit avisierte Marktführerschaft sich als starker Verhandlungspartner gegenüber den Rechteinhabern positionieren wolle. Es wird unmissverständlich deutlich gemacht, dass der Erwerb der Lizenzen für die angebotene Musik am Ende des Prozesses stehen würde und nicht an dessen Anfang.

Das erinnert tatsächlich an frühneuzeitliches Raubrittertum: Raubritter, die eine kaiserliche Domäne so oft aus sicherem Hinterhalt überfallen, bis sie den mächtigen Eigentümer letztendlich zwingen, die bislang ergaunerten Einkünfte aus der Domäne zu legalisieren. Was Simantob und seine Geschäftspartner jedoch übersehen haben: Wenn die Klage der Universal Music Group Erfolg hat, werden die Raubritter, um im Bild zu bleiben, ohne große Umstände am nächsten Baum aufgeknüpft.

Musiker als austauschbare Katalognummern

Wer dabei außen vor bleibt, sind die Bauern der Domäne, die Musiker und Autoren. Sie kommen im zitierten Schriftverkehr schlicht nicht vor. Auch in der Klageschrift selbst sind sie nicht mehr als austauschbare Katalognummern - Eigentum von Universal eben und nicht selbständig kreative Individuen. Es könnte der Eindruck entstehen, dass niemand je eine Gitarre in die Hand genommen hätte, wären da nicht die Plattenfirmen.

Das Problem der Künstler wird kaum irgendwo deutlicher: Während die Schlachten um die Marktmacht geschlagen werden, stehen sie hilflos daneben und müssen sich entscheiden, ob sie ihr Publikum und ihr Einkommen mithilfe der maroden und profitorientierten Musikindustrie oder deren skrupelloser Herausforderer finden wollen.

Unterdessen schlagen sich diverse Einkommensmillionäre auf die Seite ihrer Plattenfirmen und der Verwertungsgesellschaften wie der GEMA, genauso wie völlig unbekannte Bands ihre Musik lieber kostenlos im Internet verbreitet sehen, statt gänzlich unbeachtet zu bleiben. Was aber mit all denen passiert, die durchaus Chancen auf ein in Maßen zahlendes Publikum hätten, steht in den Sternen.

Die derzeitige Neusortierung des Marktes trifft vielleicht den einen oder anderen Marktführer empfindlich und mag bisweilen ungeschickt vorgehende Raubritter ins Verderben stürzen; sie fordert ihre blutigsten Opfer aber dort, wo Musik wirklich entsteht: in kleinen Studios, bei nimmermüde tourenden Bands mit kleinen Fangemeinden und bei mutigen, ausgewählte Geschmäcker bedienenden Hinterhoflabels und Konzertveranstaltern.

Der jüngste Versuch des Independent-Vertriebs ST Holdings, die unhaltbare Situation der Kannibalisierung der Verkäufe der kleinen Labels durch die Kündigung des Vertrages mit dem legal operierenden Musikstreamingdienst Spotify zu ändern, ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert. Ob es diesen mehr oder weniger Unabhängigen gelingt, einen eigenen überlebensfähigen Markt zu schaffen, wird von ihrem technischen Know-how, geschäftlichen Geschick und nicht zuletzt von der Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit ihrer potentiellen Kundschaft abhängen.

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