Kommentar Stuttgart 21: Es droht die Gewöhnung

Die Bahn räumt ein: Die Kosten für Stuttgart 21 steigen nochmals um 370 Millionen Euro. Doch die Gefahr besteht, dass sich über das schon Geahnte kaum noch jemand aufregt.

Die jetzt bekannt gewordenen Mehrkosten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 kommen natürlich nicht überraschend. Bei noch fast jedem Großprojekt sind die Ausgaben mit der Zeit gestiegen. Warum sollte es beim Stuttgarter Tiefbahnhof anders sein, auch wenn das Vorhaben von ssinen Befürwortern stets als das am besten berechnete Projekt tituliert wurde?

Doch gerade weil die Nachricht nicht überraschend kommt, birgt sie eine Gefahr: dass sich kaum noch jemand über sie aufregt. Es wurde bereits so viel über die Kosten für Stuttgart 21 geschrieben, so viel diskutiert, so viele Gutachten erstellt. Da kochen die Emotionen nicht mehr besonders hoch, wenn jetzt die Bestätigung dafür tatsächlich kommt. Haben wir ja eh schon gewusst. Zumal die Ermüdung in Bezug auf den Bahnhof gegenwärtig ohnehin sehr groß ist.

Entscheidend wird jetzt also sein, wie die Menschen im Land die neue Zahl aufnehmen und welche Stimmung sich daraus für die anstehende Volksabstimmung Ende November entwickelt. Resignation angesichts des immer schon Geahnten wäre da ganz falsch.

NADINE MICHEL ist Baden-Württemberg-Korrespondentin der taz.

Entscheidend ist aber noch ein zweiter Punkt. Die Gesamtausgaben für Stuttgart 21 rücken nun immer stärker an die vereinbarte Obergrenze von 4,5 Milliarden Euro heran. Bislang sagen die Projektpartner Bund, Land, Region und Stadt, dass sie keinen Cent mehr bezahlen wollen. In diesem Punkt müssen sie auch standhaft bleiben.

Insbesondere die grün-rote Landesregierung Baden-Württembergs darf nicht einknicken. Erst kürzlich hat die Koalition diese Aussagen einstimmig beschlossen und schwarz auf weiß festgehalten. Sollte das Land aber doch irgendwann zurückrudern aus Angst, sonst die hohen Ausstiegskosten übernehmen zu müssen, würden gerade die Grünen ihren letzten Rest Glaubwürdigkeit bei dem Projekt verlieren, das ihre Regierungsübernahme überhaupt erst ermöglicht hat.

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Jahrgang 1982, ist seit 2010 Korrespondentin in Stuttgart. Von dort berichtet sie über die Landespolitik sowie wichtige Wirtschafts- und Gesellschaftsthemen – und natürlich immer wieder über das Dauerthema Stuttgart 21. Zuvor arbeitete sie als Klima- und Energieredakteurin im taz-Ressort Wirtschaft & Umwelt. Ausgebildet wurde sie an der Berliner Journalisten-Schule.

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