Kommentar EGM-Urteil zu Yukos: Ganz vorsichtig mit Moskau

Den politischen Hintergrund hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im zweiten Yukos-Verfahren nicht anerkannt. Die EU will es sich nicht mit Russland verscherzen.

Es ist ein sehr vorsichtiges Urteil, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Rechtsstreit zwischen den Aktionären des Ölkonzerns Yukos und Russland gefällt hat. Die Aktionäre des vom Kreml verstaatlichten Konzerns hatten auf Missachtung des Eigentumsschutzes geklagt, auf politische Motive verwiesen und Schadenersatzforderungen von 70 Milliarden Euro gefordert.

Das Gericht erkannte die Eigentumsverletzung an und stellte prozessuale Fehler fest, die es nicht erlaubten, das Verfahren als fair zu bezeichnen. An die politischen Hintergründe wagte sich der EGMR jedoch nicht heran. Auch in Sachen Schadenersatz wollte der EGMR nicht vorpreschen und legte den Parteien nahe, nach einem Vergleich zu suchen.

Russland wurde nicht freigesprochen, und die Klage der Yukos-Aktionäre wurde in Teilen bestätigt: Beide können also ihr Gesicht wahren und sich - je nach Standpunktlogik - sogar als Sieger fühlen. Dennoch zeigen die Reaktionen in Moskau, dass die Yukos-Vertreter von dem Urteil enttäuscht sind.

KLAUS-HELGE DONATH ist Russland-Korrespondent der taz.

Den politischen Hintergrund hat das EGMR nun im bereits zweiten Yukos-Verfahren nicht anerkannt. Kreml und Justizministerium frohlocken. Den Nachweis der politischen Justiz fürchteten die Darsteller der demokratischen Mimikry in Moskau wie der Teufel das Weihwasser. Von prozessualen Fehlern jedoch lassen sich Paten und Potentaten eines Unrechtsstaates nicht erschrecken. Sie können so weitermachen wie bisher.

Vom EGMR einen politischen Schuldspruch zu verlangen ist unterdessen auch ein schwieriges juristisches Unterfangen. Die EU - Recht hin oder her - will es sich mit Russland nicht verscherzen. Moskau hat schon oft über einen Rückzug aus dem Europarat nachgedacht. Ein Schuldspruch hätte diese Entscheidung forciert, mit fatalen Folgen: Zwei Drittel der Fälle des EMGR stammen aus Russland. Der einfache Bürger hätte dann gar keine Chance mehr, sich gegen den Unrechtsstaat zu wehren.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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