Überwachungszentrum für Fußfesseln: "Russisch Roulette mit Bevölkerung"

Einige Bundesländer gründen ein gemeinsames Zentrum zur Überwachung von Fußfesseln. Die Polizei ist dagegen. Denn die Fußfessel verhindere keine neuen Straftaten.

Elektronische Fußfessel: Das Problem der Überwachung wird auf die Polizei abgewälzt, befürchtet die Gewerkschaft. Bild: dpa

WIESBADEN dapd | Mehrere Bundesländer nehmen die Überwachung entlassener Straftäter mit elektronischer Fußfessel gemeinsam in Angriff. Dazu soll ab 2012 ein länderübergreifendes Zentrum im hessischen Bad Vilbel die Arbeit aufnehmen. Die Justizminister von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen unterzeichneten am Montag in Wiesbaden einen entsprechenden Staatsvertrag, dem Hessen und Bayern bereits angehören. Weitere Bundesländer, darunter Mecklenburg-Vorpommern, haben ihren Beitritt schon angekündigt.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger begrüßte die Pläne. Die Länder nutzten damit "die von der schwarz-gelben Koalition geschaffene Möglichkeit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung", sagte die FDP-Politikerin in Berlin. Der Staatsvertrag beweise "die Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern in diesem besonders sensiblen Bereich".

Nach der Reform der Sicherungsverwahrung ist es seit dem 1. Januar möglich, rückfallgefährdete Schwerstkriminelle per elektronischer Fußfessel zu überwachen. Leutheusser-Schnarrenberger kündigte an, auf der Justizministerkonferenz am 22. September in Berlin ihr Konzept für die Neuordnung der Sicherungsverwahrung vorzustellen und mit den Landesministern zu erörtern.

Die Neuordnung muss laut Bundesverfassungsgericht bis Mitte 2013 stehen. Die bereits zum Jahresanfang 2011 in Kraft getretene Regelung mit der elektronischen Fußfessel ist davon aber nicht berührt.

Polizeigewerkschaft ist gegen Fußfessel

Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hob hervor, dass sein Land bereits seit zehn Jahren positive Erfahrungen mit der elektronischen Fußfessel gemacht habe, wenn auch bisher nicht nach Ende der Haft, sondern um eine Inhaftierung zu verhindern. Bei mehr als 90 Prozent der Betroffenen habe das Verfahren Erfolg gezeigt. Mit der nachträglich angelegten Fußfessel könnten technisch bis zu 500 Träger gleichzeitig überwacht werde. Hahn betonte, dass die elektronische Fußfessel von einem Richter angeordnet werden müsse. Es sei ein Instrument unter anderen.

Die Minister von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sagten, dass die Fußfessel kein Ersatz für den Freiheitsentzug sei. Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) nannte es eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung, eine gemeinsame Stelle zu haben, weil die Kosten für die Länder so geringer seien. Sein baden-württembergischer Kollege Rainer Stickelberger (SPD) sagte, es sei auch mit Blick auf die Sicherheit der Bevölkerung wichtig, dass nicht jedes Land alleine "vor sich hinwurstelt".

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) lehnte die Überwachung von Schwerverbrechern mit Hilfe elektronischer Fußfesseln und die Einrichtung einer Zentrale zur Überwachung dagegen ab. Niemand könne sehen, was der Täter gerade tue, wenn er als Signal auf einem Bildschirmen auftauche, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Die Justiz spiele auf diese Weise "Russisch Roulette mit der Bevölkerung" und wälze das Problem der Überwachung auf die Polizei ab. Dort fehle aber das notwendige Personal.

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