Kampf um Tripolis: Vier entführte Journalisten wieder frei

Kämpfer Gaddafis leisten weiter erbitterten Widerstand in Tripolis. Die Krankenhäuser der Hauptstadt sind mittlerweile mit Verwundeten überfüllt, an Ärzten mangelt es.

Ein Verletzter wird in einem Krankenhaus in Tripolis versorgt. Bild: reuters

TRIPOLIS dpa/dapd | Vier in Libyen entführte Journalisten sind wieder frei. Die Mailänder Zeitung Corriere della Sera schrieb am Donnerstag auf ihrer Website, die Reporter seien bei einer Razzia in Tripolis befreit worden. Wer die Aktion durchführte, wurde nicht mitgeteilt.

Die Journalisten waren am Mittwoch von Anhängern des bisherigen Machthabers Muammar al Gaddafi auf der Straße von Sawija nach Tripolis entführt worden. Ihr libyscher Fahrer war bei dem Überfall getötet worden. Zwei der Korrespondenten arbeiten für Corriere della Sera, einer für das Turiner Blatt La Stampa und einer für die katholische Tageszeitung Avvenire. Letzter war in der Lage, in Mailand anzurufen und zu sagen, dass es allen vier gut gehe.

Unterdessen leisten Kämpfer Gaddafis weiterhin erbitterten Widerstand gegen den Untergang des Regimes. Feuergefechte zwischen Gaddafis Truppen und Aufständischen wurden am Donnerstag nicht nur aus der Hauptstadt Tripolis, sondern auch aus anderen Landesteilen gemeldet.

Aufständische glauben, Gaddafi auf der Spur zu sein. "Gaddafi ist nicht in Tripolis. Er ist an einem Ort ungefähr 150 Kilometer von Tripolis entfernt mit einem seiner Söhne", sagte Atman Ibrahim Mleita, Kommandeur der Rebelleneinheit al-Karkar, am Donnerstag im Westen der Hauptstadt. Weitere Angaben machte er nicht.

Umkämpfter Flughafen

Östlich des Hafens von Tripolis gebe es weiter Widerstand von Gaddafi-Anhängern, sagte Mleita. Am Abend wollten Rebellenkämpfer nach seinen Angaben einen größeren Angriff auf die Regimekräfte unternehmen. Ziel sei außerdem, das Wohnviertel Buslim nahe des Stützpunktes Bab al-Asisija, wo sich auch Gaddafis frühere Residenz befindet, ganz unter Kontrolle zu bringen.

Mleita sagte weiter, dass in einem Viertel zwischen Tripolis und dem noch immer umkämpften internationalen Flughafen 5000 ausländische Söldner vermutet würden. Am Vortag habe seine Einheit 21 Heckschützen aus der Ukraine gefasst, die sich mit ihren Waffen versteckt hätten

Zu den schwersten Kampfhandlungen in Tripolis ist es nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN am internationalen Flughafen gekommen. Gaddafi-Kämpfer versuchten, die Kontrolle über den Flughafen zurückzuerlangen. Dabei feuerten sie auch Mörsergranaten ab. Die Rebellen vermuteten, dass sich der flüchtige Diktator in der Nähe des Flughafens aufhalten könnte, berichtete eine CNN-Reporterin vor Ort. Ziel Gaddafis könnte sein, sich in den Süden des Landes oder in seine rund 200 Kilometer entfernte Heimatstadt Sirte abzusetzen.

Rebellen und Gaddafi-treue Einheiten kämpfen auch weiterhin im ehemaligen Militärkomplex des Diktators in Bab al-Asisija. Ein Reporter des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira berichtete, dass die Rebellen erst 80 Prozent der weiträumigen Militäranlage unter Kontrolle gebracht hätten.

Bewaffnete Gaddafi-Anhänger haben sich außerdem noch im Stadtteil Buslim verschanzt. Der befindet sich in der Nähe des Militärkomplexes. Heckenschützen feuerten weiterhin von Dächern der Häuser, berichtete ein dpa-Mitarbeiter.

Übergangsrat bleibt noch in Bengasi

Die Lage in Tripolis ist weiterhin so gefährlich, dass der von Rebellen, Stammesführern und Oppositionskräften gegründete Übergangsrat nicht von der Rebellenhochburg Bengasi im Ostteil des Landes in die Hauptstadt umziehen kann. Wegen der andauernden Gefechte in Tripolis könne der Rat weder eine Vorausdelegation senden noch die notwendige Infrastruktur für seine Arbeit aufbauen, berichtete Al-Dschasira.

Rebellen und ehemalige Regierungstruppen haben sich am Donnerstag auch Kämpfe im Nordwesten Libyens um zwei Kleinstädte geliefert. Die von den Rebellen kontrollierte Stadt Suwara werde von Regierungstruppen mit Artillerie beschossen, berichteten Einwohnern einem dpa-Mitarbeiter in Tripolis. In Adschajlat, etwa 40 Kilometer östlich davon gelegen, widersetzen sich Gaddafi-Truppen und Einwohner einem Einmarsch der Rebellen. Dort hatte es in den vergangenen Monaten Pro-Gaddafi-Demonstrationen gegeben.

Die Rebellen planen nach Informationen von Al-Dschasira auch einen Vorstoß auf Sirte, die Heimatstadt Gaddafis. Eine Reporterin berichtete, dass die Aufständischen militärische Ausrüstungen vom Osten des Landes in Richtung Sirte verlegten. Darüber hinaus wollten sie vom nordwestlich gelegenen Misrata nach Süden vorrücken. Sirte wäre dann von beiden Seiten von Rebellen eingeschlossen.

Krankenhäuser in Tripolis überfüllt

Die Krankenhäuser in der libyschen Hauptstadt Tripolis sind nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mit Verwundeten überfüllt. Fast alle hätten Schussverletzungen. "In den Krankenhäusern, die ich seit dem Beginn der Auseinandersetzungen besucht habe, spielten sich oft chaotische Szenen ab", berichtete Einsatzleiter Jonathan Whittall nach Angaben der Organisation vom Donnerstag.

"Es gibt einen Mangel an Medizinern in den Einrichtungen, aber es gibt auch eine große Zahl Freiwilliger, die in die Krankenhäuser kommen, um zu helfen, wo sie können. Aber das alles schafft ein sehr chaotisches Umfeld", sagte Whittall.

Neben einer Klinik in Tripolis seien Häuser in eine stationäre Abteilung umgewandelt worden. "In einem dieser Häuser lagen die Patienten auf dem Boden und auf Tischen", erzählte der Mediziner. "Aber weil Personal fehlte, gab es keine Krankenschwestern, und die Patienten mussten im Wesentlichen für sich selbst sorgen." In einer anderen Einrichtung würden Verletzte im Freien vor dem Krankenhaus warten.

Besserung sei indes in Sicht. "Jetzt, wo die Lage in der Stadt beginnt, sich etwas zu beruhigen, können sich die Krankenhäuser auch um die Patienten kümmern, die es bislang nicht zu ihnen geschafft haben", berichtete Whittall. Dazu gehörten Verwundete, aber auch Verletzte, die bisher zu viel Angst gehabt hätten, auf die Straße zu gehen, und andere Notfall-Patienten.

Schwierigkeiten bereite der "massive Treibstoffmangel" in Tripolis, berichtete Ärzte ohne Grenzen. "Dies ist ein großes Problem, weil der Strom oft ausfällt", sagte Whittall. Deshalb würden Generatoren eingesetzt, um die Krankenhäuser zu betreiben, aber sie hätten nur sehr begrenzte Treibstoffreserven.

Südafrika will Gaddafi-Gelder freigeben

Die südafrikanische Regierung will unter bestimmten Bedingungen den Widerstand im UN-Sicherheitsrat gegen die Freigabe der eingefrorenen libyschen Guthaben aufgeben. "Südafrika sagt Ja zur Freigabe, wenn sie für humanitäre Hilfe in Libyen verwendet wird, sagte der Sprecher des südafrikanischen Außenministeriums, Clayson Monyela am Donnerstag in Pretoria. Allerdings sei Südafrika nicht bereit, die Gelder den Rebellen zukommen zu lassen. Südafrika hatte den Nato-Einsatz immer verurteilt.

Südafrika unterstütze nach wie vor eine Verhandlungslösung in Libyen; bei der Formierung einer neuen Führung in dem nordafrikanischen Staat müssten auch "Elemente der Regierung von Oberst Gaddafi" involviert sein, so Monyela. Auf dem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) am Donnerstag und Freitag in Addis Abeba (Äthiopien) wird eine kritische Stellungnahme der Afrikaner zu der Entwicklung in Libyen erwartet.

Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma hatte am Dienstag erneut den Einsatz der Nato in Libyen scharf kritisiert. Die UN-Resolution 1973 sei vom Militärbündnis für einen Machtwechsel missbraucht worden, sagte er. Dabei habe die Resolution nur die Nato ermächtigt, zum Schutze von Zivilisten und zur Hilfe für das libysche Volk einzugreifen. Die Lage in Libyen habe "Afrikas Rolle bei der Suche nach einer Lösung untergraben".

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